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Max Herre: Fencheltee und Waldhonig

Rapperdämmerung: Max Herre und sein Album "Ein geschenkter Tag".

Er lacht permanent, tanzt, fliegt durch die Luft, er präsentiert sich im Sträflingskostüm und lässt auf seinen Körper einen Gänsekopf setzen, umgibt sich mit Showgirl, Schutzmann und einem Schlagzeuger im Kaktuskostüm. Max Herre markiert im Video seiner Single „Geschenkter Tag“ den Gute-Laune-Onkel. Doch so richtig will man ihm das nicht abnehmen, jene optimistische Grundhaltung, diese Ich-seh-das-Glas-halbvoll-Einstellung, die er mit seinem neuen Album „Ein Geschenkter Tag“ demonstrativ zu verbreiten sucht.

Zu stark sind die Bilder, die der als Freundeskreis-Frontmann bekannt gewordene Herre mit Songs wie „Weg von hier“, „Scherben“ und „Staub“ entstehen lässt und die genau so verletzt klingen wie ihre Titel: „Les’ die Scherben von gestern auf“, heißt es, „und merk, sie gehn nicht mehr zusammen/ Ich lass dich los und du lässt mich auch/ Vielleicht verstehen wir’s irgendwann.“ Ein durch die Straßen seiner Wahlheimat Berlin irrender Depri-Maxe taucht da vor dem inneren Auge auf. Einer, der seinen Herzschmerz in seine Musik gepackt hat.

Erst die Trennung von Soulsängerin Joy Denalane, Mutter seiner Kinder und Ehefrau, Anfang 2007, jetzt die Bewältigung. Die beiden wurden als das Musik-Traumpaar gefeiert, mit den gemeinsamen Songs „Erste Liebe“ und „Mit Dir“ stürmten sie die Charts. Er produzierte ihre Platten, sie war für ihn Muse. Erfolgreich: Sein erstes, unbetiteltes Soloalbum schoss von null auf eins. Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Max Herre glaubt fest daran, dass aus einer gescheiterten Beziehung Freundschaft werden kann. Noch immer höre Denalane vor einer Veröffentlichung seine Songs und dürfe Einspruch erheben. Was mag sie wohl gesagt haben, als sie Max Herre „Und all das, woran ich glaub’, wird zu Staub/ Unter all dem Schutt begraben, liegt ein Traum“ singen hörte?

Genau: Er singt. Er spielt dazu Gitarre. Und rappt nicht mehr. Dem Hip-Hop- Fan versetzt dies einen dumpfen Schlag der Wehmut. Ob er schon genauso erwachsen ist, wie Max Herre sich auf seinem Album präsentiert, wird sich zeigen. Eines ist sicher: Die alten „Splash“-Zeiten sind endgültig vorbei, der deutsche Hip-Hop ist arm wie nie. Clueso, Jan Delay und Herre haben ähnliche Entwicklungen durchgemacht: In den Neunzigern gerappt, dann immer weniger und nun gar nicht mehr.

Max Herre verweist mit dem Sound seines neuen Albums auf die ganz Großen: „Come together“ von den Beatles und Das Rolling-Stones-Monster „Sympathy for the Devil“ sind unüberhörbar eingeflossen. „In der Musik, die ich jetzt mache, kann ich mich besser ausdrücken und meine Emotionen reinpacken“, sagt der Mann, der sich 1997 mit dem Freundeskreis-Song „Anna“ erstmals weit über die Hip-Hop-Gemeinde hinaus einen Namen als Seelentröster machte. Nun hat er seine neue Band im Rücken, zu der auch der Jazzpianist Robert Di Gioia gehört. Dass Herre die Wortakrobatik nicht verlernt hat, ja dieser lediglich ein poppiges Soundkostüm überzieht, beweist er mit dem Knallersong „Er-Sagt-Sie-Sagt“: „Und alle spielen das Sie-sagt-er-sagt wie was wer hat/ Was sie und was er und wer was wie macht“ Das geht ins Ohr und bleibt im Kopf. Es ist ein Song mit Botschaft, auch wenn es eine recycelte ist: Lasst mich doch einfach nur singen. Bereits vor zehn Jahren lieferte er mit „Exklusivinterview“ gemeinsam mit Afrob dem Tratsch, Klatsch und Quatsch einen Abgesang.

Stärker denn je bezieht sich Herre diesmal auf Udo Lindenberg, den er bereits im Knirpsalter von elf Jahren auf der Götterhämmerung-Tour erlebte. Dass Lindenberg zu seinen großen Einflüssen gehört, ließ sich 1997 auf dem ersten Freundeskreis-Album „Quadratur des Kreises“ nicht überhören, als er „Baby, wenn ich down bin“ adaptierte. Für sein Soloalbum hat der 36-Jährige Udos „Wir wollen doch nur zusammen sein“ aufgenommen. Das Lied über das heiße Mädchen aus Pankow und den Typen von hüben in dem Jahr zu bringen, in welchem sich der Mauerfall zum 20. Mal jährt, ist nicht wirklich einfallsreich – auch wenn der in Stuttgart geborene Max Herre beteuert, es sei eines seiner „wirklichen Lieblingslieder“.

Mit dem Album „Ein geschenkter Tag“ findet Max Herre nicht die Power, seine Trauer in feurige Soul-Songs zu verwandeln. Zu sehr versteckt er seinen Schmerz hinter Metaphern, untermalt ihn mit weich gespülter Popmusik. Herre ist wohl doch eher ein Live-Mann, der seine Rio-Reiser-Stimme mit Fencheltee und Waldhonig pflegt.

Max Herres „Ein geschenkter Tag“ ist bei Four Music erschienen. Konzert am 22. November im Berliner Babylon.

Juliane Primus

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