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Oper Leipzig: Uns fasst ein Grauen

Die Wiedereröffnung der Oper Leipzig wird mit Richard Wagners Frühwerk „Rienzi“ gefeiert.

Rienzi, ein Wagner’scher Held durchaus, mutig und auserwählt, ein Vorläufer dessen, der einst „aus Glanz und Wonne“ kommen wird: Die „Große tragische Oper“ des Endzwanzigers Richard Wagner will groß und bunt sein. Alles ist Ekstase, Marsch, Rhythmus, Leidenschaft. Aber die langsamen Einleitungen, das atmosphärische Nachspiel des Gebets stehen für die Zukunft ein: Es ist ein Werk des Werdens. Und brennt hier als magischer Ort noch keine Götterburg, so doch immerhin das römische Kapitol, in dessen Flammenmeer der Held untergeht.

So ein Stück, pompös und genial, ist geeignet, die Wiedereröffnung eines großen Hauses wie der Oper Leipzig zu feiern. Elf Monate haben Bauarbeiter in dem 47 Jahre alten Bau am Augustusplatz gewirkt, haben saniert und rekonstruiert für 9,5 Millionen Euro. Weinroter, weicher Velour unter den Füßen, im Theatervergleich ungewöhnliche Beinfreiheit bei heller Bestuhlung sind Willkommensgrüße an das Publikum.

Hinter den Kulissen sieht es weniger harmonisch aus. Intendant: N.N. Im Sommer haben „Meinungsverschiedenheiten“ zum Abgang Henri Maiers geführt, der sein Gehalt indes weiterbezieht bis 2011. Daher fällt es schwer, einen neuen Intendanten zu suchen. Dem Interimsintendanten Alexander von Maravic kommt demnächst sein Betriebsdirektor Christoph Meyer abhanden, der sich nach Düsseldorf wendet. Schwierige Voraussetzungen für den „Neuanfang“.

Zum Problemfeld gehört, dass Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly auch den Generalmusikdirektor der Oper spielen will. Im Journal des Hauses hebt er den Stellenwert des Wagner’schen Werkes in der Wagnerstadt hervor nebst geplanten Neuinszenierungen. „Ich bin stolz, dass das Opernhaus nun mit Wagners ,Rienzi‘ wieder eröffnet wird“, das mag angehen. Aber staunend darf weitergelesen werden, dass der GMD selbst sich eine Wagnerpremiere erst 2010 vornehmen will. In der laufenden Spielzeit dirigiert er „Manon Lescaut“.

Der Stellvertreter, den er vis-à-vis des Gewandhauses dringend braucht, ist Axel Kober, der neue Musikdirektor. Das Gewandhausorchester war schon besser aufgelegt als bei dessen „Rienzi“-Dirigat am Sonntag Nachmittag. Um nicht wie „unausgesetztes Brüllen“ und „unbarmherzige Anstrengung der Lungen“ (Hanslick) zu erscheinen, braucht es mehr Differenzierung. Das Gepränge der Partitur verleitet zum Einheitsforte, die Koordination mit den vorzüglichen Chören (Sören Eckhoff) bedeutet Anstrengung. Was Kober aus der Musik herauszuhören weiß, ist in der Ouvertüre zu erfahren: das Drama im Potpourri, Tiefenschärfe im dichten Orchestersatz, Spannung im trivialen Schwung. Die Sänger, an der Spitze Stefan Vinke (Rienzi), Marika Schönberg (Irene, seine Schwester) und Elena Zhidkova (Adriano, ihr Geliebter), halten die ziemlich mörderischen Partien standhaft durch, ohne (wie etwa René Kollos Rienzi um 1980!) mit Kehlengold zu betören. Die Bühne hat Andreas Reinhardt karg und routiniert bestückt, Schiebewände agieren. Wir erfahren schriftlich, dass „Rienzi“ von 1347 bis 1354 spielt. Aufstieg und Sturz eines idealisierten Helden, der in Rom eine Republik nach altrömischem Vorbild errichten will. „Erstehe, hohe Roma, neu!“ heißt sein Traum, und keine Frau, sondern Rom soll seine Braut sein.

Joel hat dazu ein Konzept: Der tragische Volksheld wird selbst zum Anachronismus. Wie der Regisseur diese Eingebung aber realisiert, das sieht aus, als seien die letzten 50 Jahre Musiktheater unbemerkt an ihm vorübergegangen. Man darf gar nicht daran denken, welche Vitalität Christine Mielitz an der Komischen Oper 1992 in dem Stück entdeckt hat! Hier dagegen steht der Tribun in blinkender Rüstung wie ein Lohengrin im Alltag der Gründerzeit. Schergen mit dunklen Sonnenbrillen und geladenem Gewehr sind immer dabei, ob Adel oder Volk dominieren. Alles schreitet, Nebel wallen. Leichen säumen die Rampe der Drehbühne. Arbeiter im Frack scheinen an ihrer Führergestalt (hübsche ironische Idee!) wenig interessiert. Ebenso wie leider auch die Inszenierung, die den gern breitbeinig dastehenden Rienzi sich selbst überlässt und Lichtkegel auf ihn wirft. Personenregie fällt aus. Das Ganze ist weniger unbeholfen als konventionell im Sinn eines Theaters von vorgestern. Folter wird pantomimisch stilisiert. „Uns fasst ein Grauen“ bedeutet szenisch einen kollektiven Schritt zurück. Mit der Regie ist an der Oper Leipzig derzeit kein Staat zu machen.

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