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Gewaber mit Struktur. T.Raumschmiere, 40, möchte mit seinen Tracks für Entspannung sorgen.

© Promo

Porträt des Berliner Musikers T.Raumschmiere: Vom Monstertruck in den Massagesessel

Produzent Marco Haas brachte als T. Raumschmiere einst den Punk auf die Electro-Tanzfläche. Jetzt überrascht er mit ruhigen Klängen.

In einer Stadt wie Berlin, wo die Musikerdichte ziemlich hoch ist, kommt man sich schon mal ins Gehege. Auch unter Freunden und in Bereichen, wo man das gar nicht für möglich hielt. Eine der Lektionen, die Marco Haas, besser bekannt als T. Raumschmiere, jetzt mit seinem neuen Album lernen musste. „7“ sollte es heißen, der perfekte Name, schließlich ist es sein siebtes, sieben Jahre sind seit dem letzten vergangen und dann ist er ja mittlerweile auch schon beim siebten Plattenlabel, auf dem er veröffentlicht, angelangt.

Kurz bevor die Entscheidung endgültig an Plattencover-Gestalter und Promoter weitergegeben werden musste, platzte die Bombe: Paul Kalkbrenner, sehr viel bekannter als T. Raumschmiere, kam mit seinem neuen Album raus, Titel: „7“. „Ich bin fast zusammengebrochen und dachte: ,Ey, du Arsch‘“, erinnert sich Marco Haas grinsend. Die kleine Katastrophe zwang ihn dazu, noch einmal über sein Album und die Idee dahinter nachzudenken. Nach kurzer Diskussion mit seinem Labelfreund Daniel Meteo verwarf er die Alternativen „007“ und „Sieben“. „Daniel sagte dann zu mir: Das Album ist so stark, mach doch einfach gar keinen Titel! Und es ist ja auch anders als meine vorigen Sachen. Es signalisiert einen echten Schnitt.“

T. Raumschmiere ist eigentlich eher für die heftige Seite der elektronischen Musik zu haben. Begriffe wie „Dreckelectro“ und „Gnarz-Techno“ beschreiben den Sound, der ihn schon vor Jahren weit über Berlin hinaus bekannt gemacht hat, ganz gut. Krachend, bollernd, punkig tönt sein 2003 veröffentlichter Hit „Monstertruckdriver“. Von solchen Klängen, die ihm den Spitznamen „King of Gnarz“ einbrachten, ist auf der neuen Platte nichts zu hören, es verzichtet komplett auf Beats, es ist ein echtes Ambient-Album. Zehn Tracks mit Titeln wie „Abfahrt“, „Zwischenstopp“, „Anker“.

Ambient ist Musik, die nicht beim Bügeln stört

„Ambient ist Musik, die nicht beim Bügeln stört. Ambient bedeutet für mich, sich in einen Sessel zurückfallen zu lassen, Frequenzen genießen, sich nicht bedrängt fühlen. Man sitzt einfach da und wird akustisch massiert“, erklärt Marco Haas. Was ihn trotzdem von seinen alten Helden wie Biosphere oder Deutsch Nepal, die sich seit Jahrzehnten an ambienten Sounds abarbeiten, unterscheidet? „Jede Menge Melodiefahrten. Gewaber mit Struktur!“ Und so wabert und pulsiert und brodelt es in der Musik T. Raumschmieres auf eine sehr zugängliche Weise. Zwei Jahre lang hat er mit seinem Mitproduzenten Ben Lauber an diesem Spagat aus elektronischen Abstraktionen und verstecktem Popappeal gearbeitet.

Immer wieder ging es ins Studio in Neukölln, wurden die analogen Synthesizer jeden Tag, an dem man sich traf, neu gesteckt und verkabelt, stundenlang probierte man aus und nahm auf. Erst da kamen Computer zum Einsatz – zum Aufnehmen der vielen Spuren. Und zum Nachbearbeiten: Die Stücke mussten auf vernünftige Länge gebracht werden, um ihnen alles Langweilige auszutreiben, sie mussten verdichtet, editiert, neu montiert werden. Relativ düster und geheimnisvoll klingt das Ergebnis, atmosphärisch dicht, aber mit genug Luft zwischen den Tönen, so als würde sich Marco Haas damit als Soundtrack-Produzent für Science-Fiction- Filme empfehlen wollen. Will er aber gar nicht, vielmehr schließt sich mit diesen nicht einmal 40 Minuten, diesen zehn Stücken, deren Titel an die Stationen einer Reise denken lassen, ein Kreis: „Ich bin ein alter Punk, der über Ambient zur elektronischen Musik fand. Immer, wenn ich mich selbst an Ambient versucht habe, dann war das Musik, die man nur hören konnte, wenn man wirklich wollte, sie war anstrengend. Jetzt störe ich niemanden mehr.“

Nicht stören, das war von Anfang an das Ziel der Ambient Music. Der britische Musiker Brian Eno war zwar nicht der Erste, der sich der Ambient Music widmete, aber er packte sie als Erster in einen Albumtitel und machte sie mit seinem 1978 veröffentlichten Album „Ambient 1: Music for Airports“ populär. Musik, die in den Wartehallen von Flughäfen erklingen sollte. Spannend genug, um auch den Durchhastenden zu gefallen, unaufdringlich, um selbst stundenlang Wartende nicht zu nerven. Und damit natürlich eng verwandt mit Muzak, Fahrstuhl- oder Kaufhausmusik.

Ein Expunk mit Nasenring schlägt leise Töne an

Ein bisschen merkwürdig kann einem das schon vorkommen, dass Marco Haas jetzt diese leisen Töne anschlägt. Ein Expunk mit Nasenring, ein Dreckelectro-Produzent, ein Schlagzeuger, der plötzlich auf Beats verzichtet und für intime Momente sorgt. Ein Alterswerk sei das jedenfalls nicht, sagt Haas, der gerade 40 geworden ist. „Aber früher fehlte mir einfach die Disziplin, Ambient Music zu produzieren. Nach ein paar Stunden im Studio habe ich meist die Bassdrum rausgeholt und dann ist das ausgeartet. Aber nicht dieses Mal.“

An zwei Stellen wird das einfache, aber wirkungsvolle Konzept teilweise außer Kraft gesetzt. In „Lenka“ ist, ziemlich verfremdet, Marco Haas’ Tochter zu hören. Und im letzten Stück wird sogar gesungen: die englisch-deutsche Musikerin Anika unterstreicht mit ihrer tiefen Stimme die leicht bedrohliche Atmosphäre der gesamten Platte. Mit Anika ist T. Raumschmiere bereits live aufgetreten, das wird ihn in nächster Zeit auch noch öfter beschäftigen, es gibt Anfragen für weitere Shows.

Es tut sich also etwas für T.Raumschmiere, dessen Künstlername auf eine Kurzgeschichte von William S. Burroughs zurückgeht, ein kompliziertes Wechselspiel von Sichverändern und gleichzeitig Treubleiben hat begonnen. Das hat, wie er andeutet, auch mit einem komplizierten Privatleben zu tun, die letzten zwei, drei Jahre seien nicht einfach gewesen. Aber gerade deswegen habe er sich in die Arbeit mit anderen gestürzt. Er hat Musik für Barbara Morgenstern produziert, Songs für die fiktive Achziger-Jahre-Band Fraktus, für den mit Yello zu Ruhm gekommenen Schweizer Dieter Meier aufgenommen. „Das war für mich eine totale Erleichterung, diese Dienstleisterfunktion. Geld verdienen, einen Teil der kreativen Arbeit anderen überlassen und sich immer wieder auf ganz verschiedenen Sachen einlassen können.“

Jetzt aber ist für Marco Haas ein anderer Punkt erreicht, es geht wieder um die eigene Sachen. Ist das schlau, dabei auf eine Nische wie die Ambient Music zu setzen? „Wenn ich damals schlau gewesen wäre, hätte ich nach dem Erfolg von ,Monstertruckdriver‘ nur noch Tracks in dieser Art gemacht. Wie langweilig! Ich brauche etwas, das mich kickt. So einfach.“

„.T. Raumschmiere“ ist bei Albumlabel erschienen. Labelnacht mit T. Raumschmiere: Urban Spree, 27.11., 23 Uhr

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