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Kultur: Potsdamer Nikolaikirche: Der neue Konzertsaal sieht nicht nur gut aus - er klingt auch so

Als der Besucher an diesem Sonntagnachmittag an der Potsdamer Nikolaikirche ankommt, ist das Portal bereits verschlossen. So bleibt ihm nur ein Rundgang um Schinkels erhebend wohlproportionierten Tempelbau - und der Blick auf die blatternarbigen Wände, von denen der Putz fällt.

Als der Besucher an diesem Sonntagnachmittag an der Potsdamer Nikolaikirche ankommt, ist das Portal bereits verschlossen. So bleibt ihm nur ein Rundgang um Schinkels erhebend wohlproportionierten Tempelbau - und der Blick auf die blatternarbigen Wände, von denen der Putz fällt.

Im ehemaligen Saal der Nikolaigemeinde hingegen ist der frische Putz noch nicht getrocknet: Dort öffnet Potsdams neues Musikzentrum gerade seine Pforten. Überdimensionale gusseiserne Notenständer zeigen den Eingang zum Nikolaisaal an, dort, wo kein Flaneur ihn vermutete. In diesem intimen Innenhof soll ein ganzer Konzertsaal Platz finden? In der Tat! Dem südfranzösischen Architekten Rudy Riccotti scheint ein kleiner Geniestreich gelungen.

Hinter dem distinguiert dunklen Foyer liegt ein lichter 725-Plätze-Saal, der zu schweben scheint: Wie eine Schallwelle steigt die Rückwand des Orchesterpodiums auf, rauscht geradezu die Saaldecke hoch. Ultramoderne Architektur mutig in den historischen Kontext gesetzt - das hat I. M. Peis Glaspyramide im Pariser Louvre zum Publikumsmagneten gemacht, und das wird hoffentlich auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt die Menschen verzaubern. Denn Rudy Riccottis Kreation überrascht mit einer Tugend, der man hierzulande viel zu selten begegnet: Sie hat Charme. Alles ist leicht und heiter in diesem Raum, vom beigefarbenen Anstrich über die kecken, eiförmigen Wandausbuchtungen bis zu den geblümten schwarz-grünen Sesseln.

In dieses Ambiente fügte sich die Werkauswahl des Eröffnungskonzertes geradezu organisch. Zuvor galt es allerdings noch die Reden des Potsdamer Oberbürgermeisters und des Ministerpräsidenten anzuhören. Beide versuchten, ein heikles Thema zu streifen, ohne wirklich etwas dazu sagen zu müssen. Das Ensemble auf dem Podium nämlich war nicht die Brandenburgische Philharmonie Potsdam. Das örtliche Orchester wurde vor wenigen Wochen abgewickelt, wann sich ein als bezahlbar abgesegnetes 30-köpfiges Kammerorchester formieren kann, steht noch in den Sternen. Darum werden die Konzerte dieser ersten Saison von den Ensembles aus Brandenburg/Havel und Frankfurt/Oder bestritten.

Als brandenburgischem "Staatsorchester" fiel den Frankfurtern das Recht der ersten Nacht zu. Geleitet wurde es vom Berliner Staatskapellmeister Sebastian Weigle, der seit 1993 auch das Landes-Jugendsinfonieorchester Brandenburg leitet. Für die lokale Verankerung des Eröffnungsabends aber sorgten zwei Potsdamer Komponisten: Gisbert Näther überraschte mit seinen eigens komponierten "Metamorphosen für Orchester". Näthers Inspirationsquelle ist der Anfang des legendären Themas, das Friedrich der Große 1747 Johann Sebastian Bach bei seinem Besuch in Potsdam bestellte und aus dem der dann das "musikalische Opfer" entwickelte. Ganz vorsichtig tastet sich Näther mit sensibel ausgehorchten Klangschichtungen an sein "subjectus" heran, steigert die Spannung geschickt bis zur Schlussfuge, um dann das Stück mit einer Pianissimo-Reminiszenz an die preußische Militärtrommel ausklingen zu lassen.

Von dem gebürtigen Potsdamer Hans Chemin-Petit gab es das "Orchesterkonzert" von 1944, eine elegante Hommage an seine Heimatstadt in barockisierendem Neoklassizismus. Weil auch Chemin-Petit eine Fuge in den Mittelpunkt stellt, bot sich - musikdramaturgisch gesehen - Mozarts Jupiter-Sinfonie als Abschluss an. Hier allerdings verschenkten die auf gutem Niveau spielenden Frankfurter die Chance, das Publikum zu charmieren. Vor allem die dominanten ersten Violinen zeigten sich selten willig, ihre klangliche Eindimensionalität aufzugeben.

Und das akustische Fazit des Eröffnungsabends? Ein angenehm heller, klarer Klang, selbst unterm Balkon immer präsent. Keine der Stimmgruppen wird "verschluckt", der Nachhall ist nicht übertrieben lang, aber keineswegs trocken. Passend zu Ricciottis Architektur eben.

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