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Kultur: Prachtvoll pur

Thielemann und seine Münchner Philharmoniker

Für diese Formation dürfen noch ein allerletztes Mal die altbackenen Begriffe vom Kapellmeister und seinem Klangkörper hervorgekramt werden: Da ist zum einen Christian Thielemann, dieser Hüne mit der sachdienlichen Gestik, ein Dirigent, der die Meisterwerke nicht infrage stellt – sondern sich in den Dienst der Partituren. Und da sind zum anderen die Münchner Philharmoniker mit ihrem unglaublich kompakten Klang. Das Orchester aus der bayerischen Landeshauptstadt ist ganz bei sich, sehr homogen, wenn auch nicht überbordend klangsinnlich, die Streicher, dazu grandiose Solisten an Klarinette, Oboe und Horn, die sich kollegial in die Holzbläsergruppe einfügen, dahinter ragt wie im Alpenvorland das Massiv der Blechbläser auf, prachtvoll aber nie erdrückend, mit sanft geschwungenen Kuppen.

Seit 2004 ist Christian Thielemann nun Generalmusikdirektor (noch so ein gestriges Wort!) der Münchner Philharmoniker, und er hat sich das Orchester mittlerweile ganz nach seinem Bilde geformt, zu einem Spitzenensemble für klassisch-romantische Weihefeiern. Dieses Orchester möchte man am liebsten in der alten, im Krieg zerstörten Berliner Philharmonie hören, dem wilhelminischen Prunkbau an der Bernburger Straße: Dunkle Holzvertäfelung, Messingglanz, warmes Gaslicht aus Kristalllüstern, das sind Assoziationen, die dieser Sound auslöst.

Ein Wahnsinnsprogramm absolvieren die Münchner mit ihrem Chef beim Hauptstadt-Gastspiel zum Abschluss einer Deutschlandtournee in der bestens gefüllten Philharmonie. Zwei wuchtige Tondichtungen von Richard Strauss machen den Anfang: „Don Juan“ sowie „Tod und Verklärung“, beide mit einer technischen Souveränität dargeboten, die Respekt einflößt. Der makellose Oberflächenglanz von Christian Thielemanns Interpretationen allerdings kommt beim Münchner Publikum sicher besser an als in Berlin, wo der Applaus nur höflich ausfällt.

Wahre Jubelstürme dagegen entladen sich nach Johannes Brahms’ erster Sinfonie. Das Stück stand auch im April 2007 bei Thielemanns jüngstem Auftritt mit den Berliner Philharmonikern auf dem Programm – und der Dirigent hatte ein Plädoyer für den sogenannten „deutschen Klang“ daraus gemacht. Mehrere Berliner Orchestermitglieder sitzen am Dienstag im Saal, wollen ihre Version mit der der Bayern vergleichen, sicher auch ihre Vorfreude auf ihre nächste Zusammenarbeit mit Thielemann steigern, Bruckners Achte Mitte Dezember.

Die Brahms-Lesart mit den Münchnern fällt weniger explosiv aus als weiland in Berlin, aber Thielemanns strenger Zugriff, die männliche Entschlossenheit, mit der er durchs komplexe Werk drängt, entfaltet ihre eigene Sogwirkung. Ein Brahms ohne Effekthascherei, ohne Sentimentalitäten, einfach der pure Notentext. Ein Erlebnis. Frederik Hanssen

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