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Kultur: Prinz mit Stupsnase

Immer im Schatten: Eine Ausstellung in Schloss Rheinsberg würdigt Heinrich von Preußen, den Bruder Friedrichs II.

Von Helmut Caspar

„Sein Geist lebt in uns, ist sein Staub auch längst verweht“, reimte, ziemlich übertreibend, am 3. August 1901 ein Lokalpatriot anlässlich der eher bescheidenen Gedenkfeier für „Rheinsbergs Schutzherren“, Prinz Heinrich von Preußen. Erinnerung war nötig, denn der 14 Jahre jüngere Bruder Friedrichs des Großen war sogar in Rheinsberg nahezu unbekannt, und bis heute wird in der märkischen Residenzstadt eher von Friedrich II., dem Großen, gesprochen, der hier einige glückliche Kronprinzenjahre verlebt hat, als von Heinrich, der hier 58 Jahre weilte.

Als Heinrich von Preußen vor zweihundert Jahren, am 3. August 1802, in seiner Rheinsberger Residenz starb, war die Trauer groß, denn eine glanzvolle Ära ging dahin. Der reiche Nachlass des kinderlosen Prinzen wurde versteigert und in alle Winde verstreut. Das Palais des Prinzen Unter den Linden nahm 1810 die neu gegründete Berliner Universität auf. Eine Erinnerungstafel an den Erstbesitzer fehlt, und auch in Rheinsberg steht nicht Heinrichs Denkmal vor dem Schloss, sondern das seines Bruders und königlichen Herren, Friedrichs II.

Gegen das Missverhältnis in der Wahrnehmung von Friedrich und Heinrich geht, liebevoll und detailreich, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten mit der Ausstellung „Prinz Heinrich von Preußen – Ein Europäer in Rheinsberg“ an, die bis zum 27. Oktober im Schloss gezeigt wird. Der Prinz wird, erstmals derart umfassend, als eine herausragende, viel gereiste und in ihrer Zeit hoch geschätzte Gestalt, als Musenfreund und Militär, Diplomat und Denker, aber auch als tragische Rokoko-Figur gewürdigt, die erst jetzt aus dem Schatten seines von der Geschichtsschreibung heroisierten Bruders tritt.

Dass Heinrich gelegentlich gegen Friedrichs Dominanz aufbegehrte und sich auf subtile Art an ihm rächte, wird ebenso vermittelt wie seine immer wieder enttäuschte Hoffnung, an führender Stelle in der preußischen und europäischen Politik mitmischen zu können. Für den hochtalentierten, überaus gebildeten und durchaus ehrgeizigen Hohenzollern war diese Zurücksetzung unbegreiflich, und so hat er sich noch auf seiner selbst verfassten Grabinschrift, zu lesen an der Grabespyramide gleich beim Schloss, über die ihm zugefügten Ungerechtigkeiten wortreich beklagt.

Die seit sechs Jahren vorbereitete Ausstellung zeigt Bilder, Bücher und Briefe, Skulpturen, Stiche und Handschriften, Möbel, Medaillen und persönliche Erinnerungsgegenstände des Prinzen. Die über 600 Leihgaben stammen aus einhundert Museen und Sammlungen, darunter dem Louvre, der Eremitage, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Schlösserstiftung sowie aus hohenzollernschem Besitz. Für den Rundgang stehen nahezu alle Schlossräume zur Verfügung. Einige wurden erst in den vergangenen Wochen für diesen Zweck hergerichtet.

Die Ausstellung beginnt mit den zumeist freundlichen Meinungen von Zeitgenossen über den aus einer Medaille als „niemals unterlegener Sieger“ gefeierten Prinzen mit der Stubsnase und den großen blauen Augen und endet mit dem nicht mehr ganz so positiven Urteil der Nachwelt, die Heinrich, wenn überhaupt, als ein Wesen aus einer sehr fernen Welt wahrnahm. Zwischen beiden Polen bietet die Dokumentation aufschlussreiche Informationen über einen Mann, der als Sohn des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. ohne Aussicht auf Thronfolge wenig zu lachen hatte und in Rheinsberg so etwas wie ein kleines Königreich schuf. Nur wenn Heinrich erfolgreich als Feldherr seinem König zu Diensten sein konnte oder er schwierige Verhandlungen mit anderen Monarchen zu führen hatte, etwa bei der berüchtigten Teilung Polens, konnte er sich als ein auch vom König respektierter Mensch empfinden.

In weiteren Abschnitten erfährt man einiges über das Leben am Rheinsberger Hof, über die Bautätigkeit und die Ausstattung des Schlosses. Dass es dort ziemlich locker zuging, hat Heinrich die Kritik seines in solchen Dingen strengen Bruders eingetragen und übrigens auch bis heute das Urteil über den Prinzen beeinflusst. Die Ausstellung präsentiert Beispiele aus Heinrichs erlesenem Gemälde- und Porzellanbesitz, der extra zu diesem Zweck aus verschiedenen Museen herbei geschafft wurde. Hinzu kommen Proben aus dem Bücherschatz, der in dem jetzt wiederhergestellten Bibliotheksraum gezeigt wird.

Schloss Rheinsberg, bis 27. Oktober, täglich außer Montag 9.30 bis 18 Uhr, Samstag bis 19 Uhr, Der Katalog (Deutscher Kunstverlag) kostet an der Kasse 48 und im Buchhandel 78 Euro.

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