zum Hauptinhalt

Kultur: Prostitution: Neue Sitten

Huren können ihren Lohn künftig einklagen. So will es die rot-grüne Bundestagsfraktion.

Huren können ihren Lohn künftig einklagen. So will es die rot-grüne Bundestagsfraktion. Ihr Entwurf für ein "Gesetz zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten" soll am Freitag im Bundestag diskutiert werden. Dabei wurde nach Angaben von Fraktionsmitgliedern darauf geachtet, keine Regelungen zu treffen, die die Länder betroffen hätten - denn dann hätte das Gesetz durch den Bundesrat gemusst. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer hätte dies wohl das Aus des Vorhabens bedeutet.

Dreh- und Angelpunkt des Ganzen ist das Merkmal der Sittenwidrigkeit. Bisher gilt nämlich die Vereinbarung zwischen dem Freier und der Prostituierten als sittenwidrig, und sittenwidrige Verträge sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nichtig.

Sex nur gegen Vorkasse

Die Folge: Sex-Arbeiterinnen haben praktisch keine Rechte. Sie kassieren in aller Regel vorher, weil sie hinterher kein Druckmittel mehr haben, um den Liebeslohn einzutreiben. Dabei gilt heute eine Definition der Sittenwidrigkeit unverändert weiter, die noch vom Reichsgericht 1901 entwickelt wurde. Maßstab ist das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden."

Rechtssicherheit gibt es bisher nicht - je nach Haltung des Gerichts wurden vergleichbare Sachverhalte mal als zulässig, mal als sittenwidrig angesehen. Auch zur Frage der Sozialversicherungspflicht gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.

Denn die Sittenwidrigkeit wirkt sich nicht nur auf den Lohn aus, sondern auch auf den Zugang zur Sozialversicherung. Prostituierte bleiben wegen ihrer Tätigkeit von der gesetzlichen Krankenversicherung, der Arbeitslosen- und Rentenversicherung ausgeschlossen. Im Alter stehen sie ausnahmslos ohne Rentenansprüche da und fallen größtenteils in die Sozialhilfe.

Das soll sich ändern. Gleich der erste Satz des Gesetzentwurfs lautet: "Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung." In einer Umfrage des Instituts dimap von 1999 hätten sich 68 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, die Prostitution rechtlich anzuerkennen, schreiben die Fraktionen in der Begründung zu ihrem Entwurf. Über eine Million Männer täglich nähmen die Dienstleistung in Anspruch.

Gestrichen werden soll der Paragraf 180 a, Absatz 1, Ziffer 2 des Strafgesetzbuches. Bisher setzt sich nämlich jeder Bordellbetreiber, der mehr bietet als einen bloßen Raum, der Strafverfolgung aus. Schon das Auslegen von Kondomen oder die Schaffung einer freundlichen Atmosphäre gelten als "Förderung der Prostitution". Von der Neuerung erhoffen sich die Fraktionen, dass Bordellbesitzer die bei ihnen beschäftigten Frauen zur Sozialversicherung anmelden.

Auf diese Weise sollen richtiggehende Arbeitsverträge möglich werden - allerdings mit einseitigen Regeln zugunsten der Prostituierten. Sie sollen ihre Kunden frei wählen, jederzeit fristlos kündigen und im Falle behaupteter "Schlechtleistung" nicht belangt werden können.

Während Grüne und PDS den Entwurf für unzureichend halten, geht er der Union viel zu weit. "Das ist die minimalistische Variante", sagt Christina Schenk, frauenpolitische Sprecherin der PDS. "Der Name sagt es schon: Verbesserung, nicht Gleichstellung. Es ist also nach wie vor igitt. Sie ermöglichen auch nicht, dass Prostituierte ihre Dienstleistung in klaren Worten anpreisen." Dafür hätte das Ordnungswidrigkeitengesetz geändert werden müssen.

"Der Entwurf ist ein Kompromiss", räumt die Grünen-Politikerin Irmingard Schewe-Gerigk ein. "Wir regeln jetzt zwei ganz wichtige Bereiche: Dass die Sittenwidrigkeit fällt und dass wir im Strafgesetzbuch den 180 a zum Teil streichen." Nun müsse noch die Abschaffung der Sperrbezirke folgen.

CSU: Eine Hure ist keine Friseuse

Die Unionsparteien sehen zwar das Problem der fehlenden Absicherung der Liebesdienerinnen, sind aber dennoch gegen den Entwurf. "Ich bin der Auffassung, dass diese rechtliche Regelung nach wie vor gegen die guten Sitten verstieße, weil man die intimste Begegnung zwischen Mann und Frau nicht behandeln kann wie eine Ware", sagt der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis. Er sei dafür, verstärkt Aussteigerprogramme anzubieten.

Seine Kollegin Maria Eichhorn ist derselben Auffassung. "Prostituierte ist kein Beruf wie Friseuse oder Verkäuferin. Der Kauf sexueller Dienstleistungen widerspricht der Werteordnung des Grundgesetzes." Es stelle sich auch die Frage, ob die Prostituierten den Zugang zur Sozialversicherung überhaupt wollten: "In den Niederlanden hat das zu einer Flucht in die Illegalität geführt."

Fatina Keilani

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false