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Isabella Bortolozzi: Proteste am Stiel

Politische Kunst im Dialog: Die Galerie Isabella Bortollozi in Schöneberg zeigt Werke von Mimmo Rotella und Oscar Murillo.

Einträchtig hängen die beiden Bilder an der Wand. Die Formate unterscheiden sich, aber man muss schon sehr genau hingucken, etwa die Materialien vergleichen, um darauf zu kommen, dass hier zwei unterschiedliche Künstler am Werk waren. Aber man weiß ja, dass dies hier eine Doppelausstellung von Mimmo Rotella und Oscar Murillo ist. Aber wer ist wer?

Beide Kunstwerke in der Galerie Bortolozzi haben etwas mutwillig Hingerotztes. Sie scheinen sich an den Schmierereien auf großstädtischen Hauswänden zu orientieren. Der Putz blättert, die Schmierereien überlagern sich dann aber doch sehr wohlproportioniert. Es waren eben doch Künstler am Werk. Und die Zuordnung lässt sich tatsächlich rascher mit politischen Grundkenntnissen vornehmen als mit kunsthistorischer Expertise.

Zum Verwechseln ähnlich

Auf dem einen, dem großen Bild ist nichts weiter zu lesen als das Wort „News“ – stets in roten Lettern, teilweise grün und schwarz und blau und rosa übermalt. Das andere Werk zeigt ein wie von Kinderhand in dicken schwarzen Strichen etwas ungelenk dahingemaltes Gewehr mit Zielfernrohr. Darunter im unteren Bilddrittel in blauen Versalien das Wort „MANAGUA“. Aha. Managua ist die Hauptstadt von Nicaragua. Dort lieferten sich in den 1980er Jahren linke Sandinisten und rechte Contras einen blutigen Machtkampf, Reagan wollte intervenieren und verstrickte sich in einen kruden Waffenhandel mit dem eigentlichen Erzfeind Iran, die Iran-Contra-Affäre. „Managua“ stammt von 1988, kann also nur von Mimmo Rotella stammen. Oscar Murillo, der Urheber von „untitled (news)“, wurde 1986 in Kolumbien geboren. Soweit bekannt, sind Murillo und Rotello einander nie begegnet. Es bleibt ihren Werken überlassen, miteinander in Dialog zu treten.

Solche dialogischen Ausstellungen sind gleichermaßen beliebt wie schwierig. Allzu oft haben sich die Werke am Ende ungefähr so viel zu sagen wie die Leute, die in einem vollen Restaurant ungefragt zusammen an einen Tisch gesetzt werden. Und möglicherweise verhält es sich mit den Dialogen zwischen Kunstwerken wie mit denen zwischen Menschen: Ein Zuviel an Übereinstimmung ist für ein interessantes Gespräch genauso schädlich wie ein Übermaß an Abstoßung. Man geht also durch diese Schau zweier Künstler, deren Werke sich im Einzelfall zum Verwechseln ähneln. Die beide ein ausgeprägtes Interesse an den Formen außerparlamentarischer politischer Auseinandersetzung haben.

Weite Preisspanne

So findet sich auf dem für die Schau titelgebenden Rotella-Werk „Virus“ (1987) über der Aufschrift noch ein „A“ im Kreis, das bekannte Anarchie-Zeichen. Murillo wiederum hat in beeindruckender Zahl Demoschilder am Stiel gefertigt – auf denen statt politischer Slogans dann aber Fotos von Murillos Onkel zu sehen sind: „Möglicherweise wurden sie von unsichtbaren Demonstranten gerade verwendet“, mutmaßt der Begleittext der Galerie. Zu gerne hätte man stattdessen etwas zur Idee der Ausstellung erfahren? Das Warum bleibt seitens der Galerie ebenso unbeantwortet wie die nach der Herkunft des beeindruckenden Rotella-Konvoluts von insgesamt neun Werken aus der Zeit zwischen 1987 und 1990. Rotella hatte als abstrakter Maler angefangen und dann seine Technik der „Décollages“ mit Plakatfetzen entwickelt. 1986 gelangte er zur „Souvrapittura“, für die er Figuren, Symbole und Graffiti auf intakte oder zerrissene Plakate malte und dann auf Metallpaneele klebte. Diese Werkphase lässt sich in der Schau wunderbar studieren. Kurt Schwitters, Robert Rauschenberg, Raymond Hains: Mit den Werken dieser Künstler steht Rotella im Dialog, auch ohne dass sie in der Galerie hängen. Die Preisspanne der gezeigten Arbeiten – ob Rotella oder Murillo – liegt zwischen 35 000 und 450 000 Euro. Mehr wollte die Galerie nicht verraten. Wiederum ist bei der Zuordnung eigenes Geschick gefragt: Welche dieser Zahlen könnte zu welchem Werk passen?

Galerie Isabella Bortolozzi, Schöneberger Ufer 61; bis 30. 3., Di–Sa 12–18 Uhr

Jens Müller

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