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Dichter, Essayist, Erzähler. Der rumäniendeutsche Schriftsteller Richard Wagner (1952 - 2023).

© dpa/Arno Burgi

Quer zwischen Ost und West: Zum Tod des Schriftstellers Richard Wagner

Der rumäniendeutsche Dichter, Essayist und Erzähler Richard Wagner ist mit 68 Jahren gestorben.

Von Gregor Dotzauer

Wie er vom Rebellen, der 1972 im rumänischen Temeswar die Aktionsgruppe Banat mitbegründete, lange nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik 1987 zum Rechtsnationalen konvertieren konnte, wäre eine eigene Studie wert. Des Rätsels Lösung liegt vielleicht darin, dass Richard Wagner die Freiheit, die er in jungen Jahren meinte, in einer Verkehrung sämtlicher Maßstäbe in der offenen Gesellschaft von Neuem bedroht sah.

Er schrieb für „Die Achse des Guten“, suchte zusammen mit Thea Dorn „Die deutsche Seele“ und demonstrierte seine Haltung besonders drastisch, als er 2013 in einer Aufbau-Anthologie mit hundert deutschen Gedichten auf Paul Celans „Todesfuge“ unmittelbar ein Gedicht der völkisch-nationalen, für Hitler schwärmenden Agnes Miegel folgen ließ.

Diese Schatten liegen schwer über seinem Werk, dessen Beweggründe er in ausführlichen Gesprächen mit der Literaturwissenschaftlerin Christina Rossi in dem Band „Poetologik“ (Wieser) erkundete. Der erfahrene Essayist, 1952 in Lovrin im Banat, geboren, machte darin auch vor politischen Einlassungen gegen die multikulturelle Gesellschaft nicht halt: „Man muss den Mut haben, das Querdenken zu wagen“ ist eines der Kapitel überschrieben.

Wagner, bis zur Trennung 1989 mit Herta Müller verheiratet, war vor allem ein wunderbar lakonischer Lyriker, der insgesamt 12 Gedichtbände hinterlässt, deren erste fünf noch in Rumänien erschienen. Die zu seinem 65. Geburtstag erschienene Sammlung „Gold“ gibt einen guten Überblick über alle Phasen. In der Bundesrepublik verlegte er sich auch zusehends aufs Erzählen, das neben im Doppelsinn fantastischer Kurzprosa auch zahlreiche Romane umfasst.

Ob er in ihnen durch Berlin flanierte („In der Hand der Frauen“), das Leben einer Prostituierten beschrieb („Lisas geheimes Buch“) oder seine bitteren Erfahrungen mit der Securitate in einem Krimikontext fiktionalisierte („Miss Securitate“), die er sonst in oftmals verbissenen Kämpfen mit ehemaligen Weggefährten ausfocht: Die Kunstfertigkeit seines leichten Tons, mit dem er Leser auch bei schweren Themen bei der Stange hielt, darf man nicht unterschätzen.

Seit Jahren machte ihm eine Parkinson-Erkrankung, der er 2015 noch das Buch „Herr Parkinson“ abrang, das Leben schwer. „Wer wüsste nicht, dass die Vernunft, wenn es um einen selbst geht, das Letzte ist, worauf man sich verlässt“, schrieb er noch über die Hoffnung, dem Richtspruch des lähmenden Verfalls zu entgehen, und wusste doch: „Sie ist vielmehr das Erste, worauf man zu verzichten bereit wäre.“ In den Morgenstunden des 14. März ist Richard Wagner 70-jährig in einem Berliner Pflegeheim gestorben.

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