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Kultur: RAF und kein Ende

Eine

von Nicola Kuhn

In den letzten Wochen war es eher still um die RAFAusstellung geworden. Verblasst der publizistische Rummel um die Eröffnung Ende Januar, in weite Ferne gerückt die heiße Debatte im Sommer 2003 um die zunächst beantragten öffentlichen Gelder. Doch die Ausstellung erweist sich als ein Erfolgsunternehmen der Berliner Kunstwerke: Wenn „Zur Vorstellung des Terrors“ am Pfingstmontag schließt, werden über 35000 Besucher die Gemälde, Installationen und Filme zum Thema Baader-Meinhof-Gruppe besichtigt haben. Ein Publikumsrekord seit Gründung der Kunstwerke im Jahr 1990.

Dieser Erfolg sei den drei Kuratoren Klaus Biesenbach, Ellen Blumenstein und Felix Ensslin nach alledem gegönnt. Und doch ist ihre Ausstellung kein Meilenstein. Trotz der begleitenden journalistisch-historischen Dokumentation im Hauptraum offenbart sie deutliche Defizite: Der Blick auf das Phänomen „Deutscher Herbst“ allein aus Künstlerperspektive reicht nicht aus. Sieben Jahre nach der offiziellen Selbstauflösung der RAF findet längst eine gründliche wissenschaftliche Auseinandersetzung statt. Dieses Kapitel bundesrepublikanischer Geschichte bedarf gerade in Zeiten, in denen Alt-68er das Establishment bilden, einer gesellschaftskritischen Reflexion.

Auf das Bekanntwerden des Projektes hatte es 2003 schrille Reaktionen gegeben; das Hamburger Institut für Sozialforschung und die Bundeszentrale für politische Bildung stiegen aus. Heroisierung der Terroristen, gar Mythenbildung wurden befürchtet – finanziert mit öffentlichen Geldern, so der Vorwurf. Die Ausstellungsmacher zogen die Konsequenz und finanzierten das Projekt aus eigener Kraft mit Hilfe einer Internet-Auktion. Die Sorgen der Kritiker – zumal aus den Reihen der FDP – erwiesen sich jedoch als weitgehend unbegründet. Man monierte, dass Opfer und Täter gleichrangig behandelt würden, mehr noch: dass das Gros der Werke eine Faszination für die Verbrecher zeige. Aber die Ausstellung verharmlost nicht – und das Böse besaß schon immer eine größere Attraktivität auch für Künstler; man denke nur an mittelalterliche Bilder vom Jüngsten Gericht.

Trotzdem enttäuscht die Form der Auseinandersetzung, zumal bei den jüngeren Künstlern, die als Jugendliche die bleiernen Jahre miterlebten. Ihre Videos und Installationen sind geprägt von hoher Selbstbezüglichkeit, anders als bei der vorangegangenen Generation, deren politischer Impetus spürbar bleibt. Für die nach 1960 Geborenen sind die von der RAF verbreiteten Schrecknisse nur der Echoraum des eigenen Erwachsenwerdens; insofern sind ihre Verarbeitungen vornehmlich Ausdruck des Subjektiven und für die bundesdeutsche Öffentlichkeit nur bedingt aussagefähig.

Auf ihre Weise verrät die RAF-Ausstellung dennoch viel über die Umwege kritischer Reflexion und das Erinnern. Damit fügt sie sich höchst aufschlussreich in das aktuelle Gedenkjahr. Das Jahr 1945 ist die bedeutendste Zäsur deutscher Geschichte. Den komplizierten, nach dem Stand der jüngeren Forschung eben nicht schlicht kausalen Zusammenhang zwischen dessen Folgen, 1968 und dem Abdriften in den Terrorismus blendet die Ausstellung aus. Immerhin präsentierte sie Hans Peter Feldmanns Bilderzyklus „Die Toten“, Gerhard Richters „Atlas“ und Joseph Beuys’ Documenta-Schilder: Erinnerungsstützen für die nachhaltige Verstörung der Republik.

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