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Polonaise mit Border Collie. Maika Knoblich und Spike.

©  Sophiensäle/Paula Reissig

„Hundeplatz“ in den Sophiensälen: Rampen-Wau

Beziehungsstatus: kompliziert. Das Performerduo Quast + Knoblich erkundet in „Hundeplatz“ in den Sophiensälen die abgründige Verbindung zwischen dem Mensch und seinem besten Freund.

Einem verbreiteten Allgemeinplatz zufolge fürchten Schauspielerinnen und Schauspieler auf der Bühne wenig mehr als die Konkurrenz von Kindern und Tieren. Weil die knuddeligen Partner ihnen so leicht die Show stehlen können. Tatsächlich – und das wird gern verschwiegen – müssen sich natürlich nur sehr schlechte Schauspieler diese Sorgen machen. Also solche, die sich beispielsweise präsenzmäßig nicht gegen ein Huhn durchsetzen können. Im Bereich der Performance sind derlei wettbewerbsbetonte Ensemblefragen aber sowieso hinfällig. Weil es hier ja meist nicht um schauspielerisches Können oder kohärente Geschichten geht, an denen man irgendwie dranbleiben müsste. Sondern um Theorie in ironisch gefilterter Gestalt.

Die Performer Maika Knoblich und Hendrik Quast, die zusammen das Duo Quast + Knoblich bilden, haben deshalb auch keine Probleme damit, das Rampenlicht in den Sophiensälen erstmal einem Rudel von Hunden mit ihrer ganz eigenen Kunstfertigkeit zu überlassen. Man sieht: einen Pudel, der auf den Hinterbeinen im Kreis hüpft. Einen Border Collie, der Polonaise kann. Oder einen Beagle, der zwischen den Besitzerbeinen Slalom läuft. Alles nicht ganz zirkusreif, aber ziemlich gut.

Auch die abgründigen Seiten werden beleuchtet

„Hundeplatz“ haben die beiden Schöpfer diesen Abend getauft. Der zielt dann allerdings weniger auf artistische Vorführungen, sondern will die wechselhafte Beziehung zwischen Mensch und Tier ergründen. Einmal mehr, könnte man sagen. Im Gedächtnis ist noch die herrlich fiese Soloperformance von Hendrik Quast mit dem Titel „Mohrle“, die 2014 beim Freischwimmer-Festival gezeigt wurde. Im Katzenkostüm und mit schmissigen Liedern auf den Lippen sezierte der Mann damals anderthalb Stunden lang eine tote Maus. Als blutige Parabel auf Verwandlungskunst und Einfühlungstheater.

Ganz so tief geht „Hundeplatz“ nun nicht, obschon Quast und Knoblich sich alle Mühe geben, auch die abgründigen Seiten der ungleichen Verbindung zwischen Hund und Besitzer zu beleuchten. „Cross Cruising“ nennen sie ihr Trainingsprogramm, das inspiriert ist von Dog Dancing und Agitily. Bei letzterem geht’s darum, den Hund über Hürden springen und Hindernisse meistern zu lassen – „dabei geben Sie die Kommandos an und folgen Ihrer Fellnase auf Schritt und Tritt“, wie eine einschlägige Webseite im schönsten Gaga-Jargon verkündet. Was tritt dabei zutage? Ein Liebesverhältnis? Ein Dominanz-Ding? Die Performer jedenfalls weiten das Feld von Dressur und Zurichtung auf die eigene Beziehung. Im Gouvernanten-Ton lässt Knoblich ihren Spielpartner Quast wieder und wieder verbal Männchen machen („Hendrik, was möchtest Du erzählen?“ Gestammelte Antwort: „Menschen sind schrecklich, Hunde sind toll“). Einmal soll sich der Ärmste sogar ein paar Tropfen Pipi durch die Strumpfhose abpressen, vor aller Zuschaueraugen. Fühlt sich so der Hund beim Gassigehen? Wir werden es nie erfahren.

Leider ein theatrales Häuflein

Zwischendrin gibt’s schräge Musicalnummern, die live von Charlotte Simon und Toben Piel begleitet werden, auch bekannt als Bandprojekt Les Trucs. Den eingeladenen Hunden – darunter Beagle Michl, Border Collie Spike und Russell Terrier Lilly – gefällt das nicht, sie bellen sehr energisch in die Refrains. Mehr Freude habe sie an einer Szene, die den gemeinsamen Restaurantbesuch von Tier und Mensch durchspielt. Auf der Speisekarte stehen unter anderem Hühnerherzen und Schweinenasen. Was die Hunde hingegen von der ausgebreiteten „Kuschelecke“ halten, in der sie mit ihren Frauchen (Ayline Hrymon, Caro Zeidler und Katrin Schmidt) gesteigerte Intimität performen sollen, während Knoblich Softporno-Literatur vorliest, ist schwer auszumachen.

Schon klar, es geht auf dem „Hundeplatz“ um Perspektivumkehr und Artverwandtes. Aber mehr als ein theatrales Häuflein kommt dabei nicht heraus. Von der gnadenlosen Beobachtungsschärfe, die zum Beispiel der Regisseur Ulrich Seidl in seiner Dokumentation „Tierische Liebe“ an den Tag gelegt hat, sind Quast und Knoblich hier viele Stöckchenwürfe weit entfernt. Da können die Hunde sich noch so viel Mühe geben.

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