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Kultur: Rastlos in der Sonne

Der Kontrast zum derzeitigen Mozart- Rummel könnte kaum größer sein: Das vergangene Jahr war – unter anderem – Boccherini-Jahr, und doch verstrich der 200. Todestag des Italieners weitgehend sang- und klanglos.

Der Kontrast zum derzeitigen Mozart- Rummel könnte kaum größer sein: Das vergangene Jahr war – unter anderem – Boccherini-Jahr, und doch verstrich der 200. Todestag des Italieners weitgehend sang- und klanglos. Dabei wäre gerade im Fall Luigi Boccherinis einiges gutzumachen gewesen. Wie ein Fluch hat sich die Popularität eines einzigen Satzes aus einem Streichquintett über sein Komponistenleben gelegt. Statt ihn als eigenständige, unverwechselbare Stimme neben Haydn und Mozart wahrzunehmen, ist Maestro Luigi für die Nachwelt zum Klassischen One-Hit-Wonder geworden, zum Komponisten des „Menuetts“. Dass es meist ziemlich gräulich gespielt, alla Rondo Veneziano zum Rokoko-Talmi verkitscht oder sogar zum Schlager verwurstet wird (die Comedian Harmonists recycelten die Melodie zu: „Komm, Luise, lass uns auf die Wiese gehen“), macht die Sache natürlich nicht besser. Die mitunter fabelhaften CDs wie die zuletzt beim kleinen Alpha-Label erschienene Celloaufnahme des Franzosen Bruno Cocset bleiben ein Fall für Fachleute. Diese Musik verlangt eine Finesse, die zum akustisch aufgeblasenen Konzertwesen des 21. Jahrhunderts quer steht: Erst dann zeigt sich, wie souverän Boccherini oft melodische und rhythmische Elemente zu einer zugleich lockeren und vitalen Struktur verschmolz, atmet diese Musik tatsächlich die Luft des Rokoko.

Dass das Freiburger Barockorchester morgen die c-moll-Sinfonie von 1788 spielt, ist wenigstens ein Trostpflaster. Die Sinfonie zeigt überdies, dass Boccherinis Musik neben sonniger Anmut eben auch Tiefe, Dramatik und vorrevolutionäre Unrast besitzen kann.

Mit einer konzertanten Sinfonie von Giovanni Battista Viotti holen die Freiburger im Kammermusiksaal gleich noch ein weiteres Komponistenjubiläum nach. Bei dem 1755 geborenen Viotti hat es zwar zum One-Hit-Wonder nicht gereicht, aber sein 22. Violinkonzert war lange Zeit recht populär, zumal es den besonderen Segen von Johannes Brahms erhielt. Der bezeichnete es als eines seiner Lieblingsstücke, und auch Geiger vom Range Menuhins waren sich nicht zu schade, das Stück zu spielen. Menuhin koppelte es in seiner Aufnahme übrigens mit dem Konzert Nummer 16, für das kein Geringerer als Mozart 1785 einen zusätzlichen Pauken-und-Trompeten-Part schrieb. Ein Anlass, das Stück mal wieder aufzuführen. Schließlich ist ja Mozartjahr.

Jörg Königsdorf

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