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Auktion: Räuber und Pistolen

Der Handel mit teurer Kunst kommt wieder in Schwung – die Auktionhäuser bieten Meisterwerke und die Kunden bieten mit.

Mit den Altmeisterauktionen in New York geht der Kunstmarkt nächste Woche in die erste Runde 2010, und die Qualität des Angebots ist, vor allem bei Sotheby’s, so hoch, dass sich die Aufregungen der Londoner Dezember-Auktionen fortsetzen dürften. Da hatte Christie’s die beste Altmeisterauktion der Geschichte überhaupt und erzielte, mithilfe einer sagenhaft teuren Raffael-Zeichnung (29. Mio. Pfund) und eines Rembrandt-Werks (20 Mio. Pfund), einen Umsatz von 68,4 Millionen Pfund. „Diese Auktionen haben den Kunstmarkt elektrisiert und das Interesse der Sammler erneut auf dieses Gebiet gelenkt“, freut sich Christie’s Altmeisterspezialist Richard Knight.

Aber Superpreise gibt es nicht nur bei den Altmeistern. Im Februar wird das Angebot bei den Londoner Moderneauktionen so stark wie lange nicht. Ein Jahr nach dem Kunstmarkt-Crash läuft der Markt für Megakunst schon wieder ganz flott, und nun soll er, mit steigendem Angebot, noch besser werden. Christie’s Europapräsident Jussi Pylkännen spricht von einem Markt für Meisterwerke, wie er ihn in 20 Jahren nicht erlebt habe. „Ein Medici-Markt“.

Dabei setzt man erst einmal auf Bewährtes: Alte Meister und Klassiker der Moderne. Im Februar bietet Sotheby’s in seiner Moderne-Auktion in London gleich drei Werke mit Schätzungen von weit deutlich über zehn Mio. Pfund an. Sie wurden eingeliefert, „weil die Sammler die Ergebnisse unserer Auktion im November gesehen haben“, erklärt Expertin Helena Newman. „Wir haben bewiesen, dass es in der ganzen Welt eine konsistente Nachfrage nach Meisterwerken gibt“. Der Circulus virtiosus, die Vertrauensspirale des Kunstmarkts, kommt erneut in Gang: Ordentliche Preise in den Auktionen geben den Besitzern Mut, noch bessere Werke einzuliefern, für die höhere Preise bezahlt werden müssen. Die größte Aufmerksamkeit gilt nun allerdings nicht den teuersten Losen wie dem Rembrandt-Porträt der jungen Frau mit Samtkappe, das 2007, nach seiner endgültigen Anerkennung durch die Rembrandt-Forschung, bei Sotheby’s die Schätzung auf neun Mio. Dollar verdoppelt hatte und nun in New York für acht bis zwölf Millionen Dollar schon wieder verkauft werden soll. Auch die rasante Verführungsszene „Jupiter und Antiope“ des Hendrick Goltzius, die das gleiche Preisetikett hat und Museumsleuten in aller Welt vor Begierde die Augen übertreten lassen wird, hat bislang keine Schlagzeilen gemacht.

Die Neugier richtet sich vielmehr auf „La Belle Ferronnière“, obwohl sie „nur“ auf 300 000 bis 500 000 Dollar geschätzt ist. Der Haken an der Sache: Das Renaissanceporträt „Belle Ferronnière“ stammt von Leonardo da Vinci und hängt unversehrt im Louvre. Käme es auf den Markt, würde es spielend eine stattliche zweistellige Millionensumme einspielen. Das Bild bei Sotheby’s dagegen ist eine Kopie, wenn auch eine Kopie mit Geschichte. Nicht nur wurde sie Experten zufolge vor 1750 gemalt, sie war auch Gegenstand eines der sensationellsten Verleumdungsprozesse der Kunstmarktgeschichte, bei dem es um die Macht der Experten auf die Bilderpreise ging.

Der Besitzer, Harry Hahn, war 1920 gerade dabei, das Bild als eine Zweitversion Leonardos für 250 000 Dollar an das Kansas City Art Museum verkaufen, als ihm eine nebenbei gemachte Bemerkung des angesehenen Kunsthändlers Joseph Duveen, es handle sich „natürlich um eine Fälschung“, das Geschäft verdarb. Über ein Jahrzehnt lang wurde um die Authentizität des Bildes gestritten. Hahn warf Duveen vor, arrogant seine Macht auszuspielen, in der Hoffnung, das Bild eines Tages billig in die Arme des Handels zu spielen.

Wäre das Duveens Plan gewesen, so wäre er gänzlich misslungen: Der berühmte Händler musste in einem außergerichtlichen Vergleich 60 000 Dollar bezahlen, die Hahns konnten das Bild nicht mehr verkaufen, und niemand hat seither je noch einmal gewagt, das Bild als echten Leonardo zu bezeichnen. Einlieferer des Bildes sind nun die Nachkommen des streitbaren Harry Hahn.

Eine bessere Wahl wäre der Goltzius, das überragende Bild dieser insgesamt starken Auktion, wenn solche draufgängerischen Mythendarstellung auch ziemlich aus der Mode sind. Es ist ein lebensgroßes Format im Rubens-Stil, auf dem der als Satyr verkleidete Jupiter einen grinsenden Amor ausschickt, der die auf luxuriösen Kissen gebettete, schlafende Nackte schon einmal an der Brustwarze kitzelt. Das Bild hing zwei Jahrzehnte im Frans-Hals-Museum in Haarlem. Es gehört zur Flut hochkarätiger Bilder, die als Folge von Restitutionsvereinbarungen und Provenienzforschungen den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden und nun zu einer wichtigen Quelle für den Auktionsmarkt geworden sind. Hermann Göring war das lustvolle Bild aufgefallen, er ließ es der jüdischen Familie Abraham Adelsberger aus Nürnberg per Zwangsverkauf abnehmen, um es in seinem Landsitz „Carinhall“ aufzuhängen. Nach dem Krieg wurde es von den Alliierten der holländischen Regierung „zur Verwahrung“ gegeben.

Im Februar kommt in London ein Landschaftsbild vom Gardasee unter den Hammer, das von Gustav Klimt stammt und einst dem Wiener Sammlerpaar Viktor und Pauka Zuckerkandl gehörte. Nun wird es für zwölf bis 18 Millionen Pfund versteigert. Den Erlös teilen sich die jetzigen Besitzer mit einem 81-jährigen Nachkommen der Zuckerkandl-Familie, der in Kanada lebt. Die Commerzbank steuert jene große Skulptur von Giacometti bei, den sie aus den Kunstbeständen der Dresdner Bank übernommen hat – offenbar passen solche Kunstwerke heute nicht mehr so recht in die Chefetage einer Bank. Auch hier liegt der Preis bei zwölf bis 16 Millionen Pfund.

An einem Abwärtstrend hat sich nichts geändert: Die Auktionen werden kleiner, was die Zahl der Lose angeht. „Wir bleiben vorsichtig und sehr selektiv“, betont Helena Newman. Man will das Vertrauen nicht durch unnötige Flops mittelmäßiger Werke erschüttern. Aber es hat auch etwas mit der Knappheit der Ware zu tun. Ob es nun weniger davon gibt, weil alte Meister oder große Impressionisten ja nicht mehr gemalt werden oder ob Kunstbesitzer halten, was sie haben, weil so ein Meisterwerk das Geld schöner zusammenhält als ein Aktienportefeuille – die Devise heißt: weniger, aber teurer.

Altmeisterauktionen: 28. und 29. Januar in New York, www.sothebys.com bzw. www.christies.com

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