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Rechnermuseum: Von Abakus und Atari

Das Rechner-Museums an der Fachhochschule Brandenburg dokumentiert die Entwicklung des Computers mit Fokus auf die DDR-Rechentechnik. Interessierte hören bei der Führung viele Anekdoten aus dem DDR-Alltag.

Brandenburg/Havel - Ein Lochstreifen aus hellblauem Papier schiebt sich unter lautem Rasseln aus einem Rechner mit dem Volumen eines handelsüblichen Kühlschranks. Die Daten, die darauf gespeichert wurden, dienten noch bis Anfang der 90er Jahre dazu, den Materialfluss von 450 Metallarten im Brandenburger Stahlwerk zu dokumentieren. Heute verursacht die altertümlich anmutende Technik Schmunzeln und Kopfschütteln bei den Besuchern des Rechner-Museums an der Fachhochschule Brandenburg.

Albrecht Bohne, der mit Anekdoten und Hintergrundinformationen aus dem DDR-Alltag auf Anfrage durch die Sammlung führt, hat diesen Rechner selbst im Stahlwerk viele Jahre betreut und gewartet. Nach der Wende war er bis zu seiner Rente in der Fachhochschule für die Computerlabore zuständig und baute in dieser Zeit das Museum mit auf.

Kultgeräte wie Atari auch in der Sammlung

Obwohl in der Bundesrepublik zahlreiche Computermuseen die Entwicklung der Rechentechnik dokumentieren, besitzt die Brandenburger Sammlung Seltenheitswert. Im Gegensatz zum Hans-Nixdorf-Museum in Paderborn und ähnlichen Ausstellungen in München, Hoyerswerda und der Fachhochschule Kiel, haben sich die Brandenburger auf die DDR-Computer der Marke Robotron aus den 70er und 80er Jahren spezialisiert. "Natürlich kommen wir an den Kult-Geräten dieser Ära wie Atari, Schneider und Commodore nicht vorbei", erklärt Bohne. Diesen Vorreitern der heutigen PC ist jedoch nur ein kleiner Teil der Sammlung eingeräumt.

Wer heutzutage an Windows-Betriebssysteme, schnelle Prozessor-Leistungen, fotorealistische Grafiken und Festplatten mit einer Speicherkapazität von 100 Gigabyte und mehr gewohnt ist, kann sich kaum vorstellen, dass die DDR zu Ende ging, ohne dass die raren ostdeutschen Heim- und Industriecomputer je mit einer Maus zur Befehlseingabe ausgestattet wurden. "Die Befehle wurden über Buchstaben- und Tastenkombinationen eingegeben und manchmal dauerte es bis zu zehn Minuten, bis der Rechner die Eingabe verdaut hatte", schildert der gelernte EDV-Spezialist.

Geschichten aus der DDR-Computerzeit

Viele der Kleincomputer mit der Typenbezeichnung KC, die im Gegensatz zu den hochentwickelten PCs der Gegenwart ihrem Namen keine Ehre mehr machen, sind noch betriebstüchtig. Mit viel Geduld für die Vorführeffekte demonstriert Albrecht Bohne beispielsweise, wie sich Computerfans zu DDR-Zeiten Spiele auf den Rechner geladen haben. "Manchmal hat das Jugendradio DT 64 die Daten, die in ein Pfeifen und Piepen umgewandelt wurden, über den Äther gesendet." Wenn kein Gewitter in der Luft lag oder ein Trabant-Auto die Geräuschkulisse störte, konnte der Sound auf Kassette aufgezeichnet werden und von dort auf den Computer geladen werden.

Als Bildschirm haben viele Computerbesitzer damals einen Kleinfernseher der Marke "Junost" genutzt. Das habe unter anderem zu Familienzwistigkeiten geführt, weiß Bohne zu berichten: "Ein Bekannter von mir hatte regelmäßig Stress mit seiner Frau, wenn er am Computer spielen wollte und sie deshalb auf ihr Fernsehprogramm verzichten musste."

Als Speichermedien wurden zu dieser Zeit 5-Zoll-Disketten verwendet, wie viele andere Produkte Mangelware in der DDR. Doch auch hier wussten sich die Rechnerfreunde zu helfen. Wer die raren Disketten von der Verwandtschaft aus Westdeutschland bekommen hatte, annoncierte sie in den An- und Verkauf-Rubriken der Tageszeitungen. Die Annoncen, die Albrecht Bohne von damals aufgehoben hat, sprechen von durchschnittlich 80 DDR-Mark pro Diskette. Viel Geld für einen Speicherplatz von 1,2 Megabyte - die heutigen Audio-CDs bieten 700 Megabyte für ein paar Cent.

"Vom Schlepp-Top zum Laptop"

Die rasante Entwicklung auf dem Rechnergebiet der vergangenen Jahrzehnte veranschaulicht auch die kleine Festplattensammlung des Museums. Eine bulgarische Festplatte aus den 70er Jahren von der Größe einer Auto-Radkappe speicherte damals gerade einmal zwei Megabyte. Daneben hält Albrecht Bohne einen Speicher aus der Gegenwart hoch von der Größe einer halben Zigarettenschachtel: Die Speicherkapazität beträgt sechs Gigabyte. Unter dem Motto "Vom Schlepp-Top zum Laptop" veranschaulicht zudem eine kleine Sammlung tragbarer Computer aus der westlichen Produktion der 70er und 80er Jahre die Entwicklung der Prozessoren, die in den Geräten die Rechenleistung übernehmen.

Auf seinem Rundgang durch die Ausstellung bringt Albrecht Bohne auch anschaulich die Rechner-Entwicklung der vergangenen 2500 Jahre auf den Punkt: "Der Abakus und der Computer basieren auf demselben Prinzip: Auf einem System von 1 und 0, mit dem Befehle gegeben und Rechenleistungen ausgeführt werden." Und auch der blaue Lochstreifen kommt am Ende nochmals ins Spiel. Bohne: "Die ausgestanzten Papierkreise kamen als Konfetti bei unseren Feiern zum Einsatz." (Anmeldungen zum Museumsbesuch unter der Telefonnummer: 03381 355 401 ) (Von Beatrice George, ddp)

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