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Kultur: Reformvorschlag für Opern: Unternehmen Augias (Kommentar)

Schon in der Wiege erwürgte er zwei Schlangen, die seines Vaters eifersüchtige Gemahlin auf ihn angesetzt hatte. Später tötete er Löwen, wilde Eber, gefräßige Vögel und erschlug die vielköpfige Hydra.

Schon in der Wiege erwürgte er zwei Schlangen, die seines Vaters eifersüchtige Gemahlin auf ihn angesetzt hatte. Später tötete er Löwen, wilde Eber, gefräßige Vögel und erschlug die vielköpfige Hydra. Er fing Rinder ein, den Kretischen Stier und die scheue Kerynitische Hirschkuh, und er besänftigte - oh Ruhm, oh Heldenzeit! - auch menschenfressende Stuten. Herkules schaffte sie alle. Christoph Stölzl ist sein legitimer Nachfolger. Er nennt mit Recht die Reform der Berliner Bühnenlandschaft eine "politische Herkulesarbeit". Nur, welche der zwölf berühmten Herkulesarbeiten meint der Kultursenator, wenn er in Mythen spricht? Es muss der Job bei König Augias sein, der riesige Viehherden besaß und dessen Ställe niemals gereinigt worden waren, sodass der Mist dort meterhoch lag. Herkules hatte eine prima Idee: Er leitete einen Fluss um und spülte den ganzen Unrat weg. So einfach hat man sich vorzustellen, was Senator Stölzl mit den drei Berliner Opernhäusern vorhat. Die fallen mit 225 Millionen Mark Zuschüssen jährlich im Kulturetat am schwersten ins Gewicht. Stölzl denkt an ein gemeinsames Management für Deutsche Oper, Lindenoper und Komische Oper und vermeidet - noch - den Hinweis auf einen künftigen Hauptstadt-Opernverweser. Aber schon jetzt scheint klar, dass Daniel Barenboim weitergehende Kooperationsmodelle ablehnt und ins Abseits gerät. So richtig und notwendig Stölzls Reformvorschlag für die Opern ist - er erinnert fatal an das BerlinBallett, das Kultursenator Radunski installierte und das am Egoismus der Berliner Opernkönige jetzt bereits gescheitert ist. Wie Stölzl seine Intendanten zu Reformen zwingen kann, steht nicht im Herkules-Papier. Die Bestandsaufnahme ist eine Skizze. Das konnte nicht anders ausfallen, in der Kürze der Zeit. Stölzl leistet das, was man von seiner Vorgängerin, der Ökonomin Thoben, erwartet hatte. Zusammenarbeit in den Werkstätten, Abfindungsfonds, Einführung von Haustarifen, Personalabbau und vor allem die Umwandlung der Staatsbetriebe in GmbHs - das sind uralte Forderungen, die in Berlin kaum einer je ernst genommen hat. Herkules hatte es im Augias-Stall leichter. Immerhin: Christoph Stölzl ist nach dem Kassensturz nicht sofort zurückgetreten.

Rüdiger Schaper

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