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Regisseur Dror Zahavi: Erschöpfung als Chance

Er plant ein Selbstmordattentat, doch dann zündet die Bombe nicht - Tarek erhält zwei weitere Tage in Tel Aviv. In Dror Zahavi neuem Film „Alles für meinen Vater“ geht es um den Gaza-Konflikt und Tabus in Israel.

Herr Zahavi, Sie haben einen Spielfilm gedreht, der sich um Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern bemüht. Mit dem Krieg in Gaza wurden die Hoffnungen auf Versöhnung gerade erneut zunichte gemacht. Wie geht es Ihnen damit?

Zunächst einmal bin ich froh, dass wir den Film vor eineinhalb Jahren gedreht haben. In der jetzigen Atmosphäre ginge das nicht. Gleichzeitig bekommt der Film nun eine enorme politische Bedeutung, weil er wie ein Licht am Ende des Tunnels wahrgenommen werden könnte.

Wird es nach der israelischen Militäroperation noch mehr Selbstmordattentäter wie Ihre Filmfigur Tarek geben?

Das ist möglich und macht die Tragödie der derzeitigen Situation aus. Gewalt weckt stets neuen Hass.Ich hoffe, dass beide Völker irgendwann einfach müde werden, sich zu schlagen.

Der Attentäter im Film wird zum Sympathieträger. Eine Provokation in Israel?

Nicht nur das, sondern auch die Darstellung der orthodoxen Juden und der israelischen Armee. Am Anfang gab es Boykottaufrufe, aber dann wurde der Film sehr gut aufgenommen und für sieben israelische Filmpreise nominiert.

Ist Tarek, der sich opfern will, um seine Familie von der Schande der Kollaboration reinzuwaschen, typisch?

Die israelische Armee ging anfangs davon aus, dass Selbstmordattentäter männlich, zwischen 17 und 22 Jahre alt, religiös und ungebildet sind. Schon bald tauchten aber auch ältere Selbstmordattentäter auf. Dann kamen Frauen und Akademiker dazu. Es gibt Frauen, die durch einen Selbstmordanschlag vor der Zwangsehe flüchten. Und eben Männer, die sich von der Schande der Kollaboration reinwaschen wollen. Es gibt kein eindeutiges Profil des Selbstmordattentäters. Aber mir war klar, dass ich einen „Selbstmordattentäter light“ entwickeln musste, damit der Film in Israel überhaupt eine Chance hat. Ein antisemitischer, hasserfüllter, blutrünstiger Attentäter – undenkbar.

Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Ihrem Film und „Paradise Now“, der auch von Selbstmordattentätern handelt?

Unser Film macht da weiter, wo „Paradise Now“ aufhört. „Paradise Now“ wurde vor allem für ein palästinensisches Publikum gedreht und beschäftigt sich mit der Frage, ob Anschläge ein legitimes Mittel der Politik sein können. Mein Film richtet sich an die israelische Gesellschaft. Beide Filme ergänzen sich.

Wird „Alles für meinen Vater“ in einem arabischen Land gezeigt werden?

Ich würde mir das wünschen. Aber die Erfahrung zeigt, dass israelische Filme in arabischen Ländern wenig Chancen haben. Aber ich hoffe sehr, dass der Film seinen Weg dorthin findet. Auf internationalen Festivals haben die wenigen Araber, die ihn dort sahen, sehr positiv reagiert.

Wie sieht das alltägliche Zusammenleben von Arabern und Israelis in Tel Aviv aus?

Auf dem Markt in Tel Aviv arbeiten Araber und Juden zusammen. Man kann auf Anhieb nicht unterscheiden, wer wer ist. In Städten wie Nazareth oder Tel Aviv findet die Kooperation zwischen Juden und Arabern im Alltag längst statt. Die Menschen finden eher zueinander als die Politik. Eine Ursache des Dilemmas liegt ja darin, dass Israel sich als Staat der Juden definiert und das Land nicht als Land der Menschen ansieht, die es bewohnen. Israel lebt seit sechzig Jahren im Kriegszustand, und man flößt den Leuten Angst ein, indem man sagt, sie würden ihre Identität verlieren, wenn die Araber unter demokratischen Verhältnissen mehr Einfluss bekämen. Das ist vergleichbar mit der Situation in Südafrika in den siebziger Jahren. Die Zwei-Staaten-Lösung ist mittlerweile unrealistisch. Man kann nicht auf Dauer in dieser Apartheid leben. Ich glaube, dass Juden und Araber sehr wohl gemeinsame Interessen haben. Ich persönlich habe mit vielen Arabern mehr Gemeinsamkeiten als mit irgendeinem orthodoxen Juden an der Grenze.

Sie kamen in den achtziger Jahren aus Israel in die DDR, um an der HFF Konrad Wolf Film zu studieren.

Ich bin im Süden von Tel Aviv in einer ärmeren Gegend groß geworden, dort, wo unser Film angesiedelt ist. Meine Eltern hätten mir das Studium nicht finanzieren können. In der DDR war das Studium damals umsonst. Ich habe mich um ein Stipendium beworben und die Aufnahmeprüfung bestanden. Seitdem lebe und arbeite ich in Deutschland. Es ist mein Schicksal, dass ich, wenn ich hier einen Film wie „Die Luftbrücke“ drehe, mit dem Vorwurf konfrontiert werde, ich sei nicht deutsch genug für das Thema. Und wenn ich einen Film wie „Alles für meinen Vater“ in Israel drehe, heißt es, ich sei nicht israelisch genug.

Das Gespräch führte Martin Schwickert. – Der Film „Alles für meinen Vater“ läuft ab morgen in vier Berliner Kinos. An diesem Mittwoch um 20.30 Uhr findet in der Kulturbrauerei die Premiere in Anwesenheit des Regisseurs statt.

Dror Zahavi, geboren 1959 in Tel Aviv,

studierte in den Achtzigern in Potsdam

und dreht zumeist TV–Filme. Zurzeit

arbeitet er an der Verfilmung des Lebens von Marcel Reich-Ranicki.

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