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Kultur: Reich, aber arm

Deutschlands Freie Szene: Ein Report wird diskutiert

Mit dem Frühling naht in Berlin auch immer das Theatertreffen. Und als größter „Knaller“ gilt dort vorab das „Verrückte Blut“. Eine freie Produktion des Kreuzberger Ballhauses Naunynstraße. Überhaupt zeigt das Spitzenbühnentreffen diesmal einen Hang zum vermeintlich Peripheren. Für peripher aber halten sich die „freien“ Künstler jenseits der Stadt- und Staatstheater längst nicht mehr. „Wir sind die Mehrheit“, sagen sie.

Nun legt der Fonds Darstellende Künste in Berlin einen über 700 Seiten starken „Report Darstellende Künste“ über die „Wirtschaftliche, soziale und arbeitsrechtliche Lage der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland“ vor (Klartext Verlag Essen, 24,80 €). Die Studie basiert auf einer Befragung von 4400 professionellen Akteuren aller Sparten in den Jahren 2008/09. Obwohl sich der Deutsche Bühnenverein als Vertreter der staatlichen und kommunalen Theater nicht an dem Projekt beteiligte, wurden auch 700 Künstler der festen Häuser interviewt. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 40000 professionelle Theater-/Tanzakteure, von ihnen zählen 51 Prozent zur sogenannten Freien Szene.

Eines der Hauptergebnisse der Studie, so Susanne Keuchel vom Zentrum für Kulturforschung: „Das durchschnittliche jährliche Gesamteinkommen bei den freien Theater- und Tanzschaffenden, die vielfach eine akademische Ausbildung haben, liegt (Anm: mit 11 701 Euro) etwa 40 Prozent unter dem aller Arbeitnehmer in Deutschland einschließlich geringfügig Beschäftigter.“ Dies trotz jährlich über zwei Milliarden Euro Gesamtausgaben aller öffentlicher Haushalte für die Theater, von denen nur etwa zehn Prozent in Produktionen der freien Szene fließen.

Mehr als drei Viertel der gesamten öffentlichen Kulturausgaben stemmen dabei die Kommunen, und im umfangreichen Material- und Debattenteil des „Reports“ stellt der SPD-Bundeskulturpolitiker Siegmund Ehrmann den deutschen Städten für das zurückliegende Jahr ein Defizit von 15 Milliarden in Aussicht. Angesichts der „schwersten kommunalen Finanzkrise“ plädiert Ehrmann „für eine neue Verantwortung des Bundes für die Kultur“.

Mit ihm und der Berliner Grünen-Politikerin Alice Ströver, mit Andrea Hanke vom Deutschen Städtetag und Jochen Sandig, Direktor von Sasha Waltz & Guests, diskutiert Tagesspiegel-Kulturautor Peter von Becker am kommenden Sonntag um 12 Uhr im Berliner Radialsystem den „Report Darstellende Künste“ und die kulturpolitischen Folgen (Eintritt frei). Tsp

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