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Kultur: Rosinenbomber

Die Akademie der Künste diskutiert Handke & Grass

Das Haus ist voll, aber das Thema verblasst, als die Berliner Akademie der Künste am Mittwoch im Hanseatenweg über „Heine, Handke und die Folgen“ diskutiert. Die „Causa Handke“, wie Moderator Johannes Willms es nennt, liegt nämlich zwei Monate zurück, im leicht entflamm- und löschbaren Medienbewusstsein bekanntlich eine Ewigkeit. Offenbar von einem unguten Gefühl getrieben, beeilt sich Akademiepräsident Klaus Staeck, die beamtenhaft lange Reaktionszeit als Tugend der Entschleunigung zu verkaufen. Die Akademie sammle im Nachhinein die Rosinen der Substanz, nachdem das hysterisierte Feuilleton ohne Rücksicht auf Verluste die Essenz jeder Debatte niedergeschrieben habe.

Das Zentrum der Erregung liegt an diesem Abend im Publikum, das durch Zwischenrufe („Du hast doch keine Ahnung!“) vergeblich versucht, die Diskussion nach Vorschrift aufzumischen. Worum ging es noch mal? Der Dichter Peter Handke war im Jugoslawienkonflikt „mit den Serben“, wie er sagen würde, und stellte sich gegen die serbenfeindliche Haltung der deutschen Medien und deren „Sprache der Ansicht“ (Matthias Langhoff). Diesen „anderen Blick“ und Handkes poetische „Sprache der Wahrnehmung“ können alle nur begrüßen. Einigkeit besteht aber auch darin, dass Handkes Anwesenheit bei Milosevics Beerdigung „eine hochsymbolische Geste sei“, bei der Handkes „politische Urteilskraft versagt“ habe (Oskar Negt).

Danach war Handke der Heine-Preis erst zu- und dann wieder abgesprochen worden. Volker Braun verteidigt den Verlagskollegen trotzdem, Staeck wiederholt, dass Person und Künstler nicht zu trennen seien, während Matthias Langhoff keinen Hehl aus seiner Abscheu für Podiumsgespräche macht. Jeder sagt sein Sprüchlein. Bis auf die Schriftstellerin Juli Zeh, die in hellsichtigen Statements die ambivalente Rolle des öffentlichen Künstlers konturiert: „Wer einmal in die Öffentlichkeit getreten ist, kann nicht mehr zurücktreten und behaupten, er habe als Privatmensch eine Rose auf Milosevics Grab geworfen.“ Handke habe nicht zur Beerdigung gewollt, sondern sei von einem „Libération“-Artikel, in dem von Belgrad als „seelenloser Stadt“ die Rede war, zu dieser Geste quasi gezwungen worden, wirft Volker Braun ein.

Eine groteske Vorstellung, die den Einzelnen als Opfer der Medien sieht und dennoch einen wahren, Handkes Poetik betreffenden Kern hat. Dessen Poesie der „ästhetischen Einheit“ lebt von einem „anderen Blick“ auf die Welt und ebenso von der effekthascherischen Abgrenzung des Diskursiven. Ohne die bösen Medien, von denen Handke sich immer neu abstoßen kann, ließen seine literarischen Idyllen gar sich nicht entfalten. Doch bevor es um solche Feinheiten gehen kann, drängt sich mit Macht der Fall des „Unaussprechlichen“ (Willms) aufs Podium und zwingt jeden zu einem Statement zu Günter Grass. „Man hält uns für Freunde“, sagt Klaus Staeck. „Ich bin schon enttäuscht, dass Grass mir nie seine SS-Mitgliedschaft offenbart hat.“ So endet die Analyse in der Anekdote.

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