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Kultur: Rot-Grün ohne Mehrheit: Der Stimmen-Fischer

Der Mann will es natürlich, er will es mit jeder Pore. Nur offen sagen darf er es nicht.

Von Hans Monath

Der Mann will es natürlich, er will es mit jeder Pore. Nur offen sagen darf er es nicht. Also antwortete ein sichtlich gut gelaunter Joschka Fischer in Wörlitz auf das Drängen der Journalisten mit einer Sottise. Ob er erwarte, dass ihn seine Partei für den Bundestagswahlkampf auf den Schild hebe, lautete die Frage. Die Antwort: "Schilderhebungen passen nicht zu den Grünen."

Kampfeslustig wie selten gab sich der Außenminister am Donnerstag auf der Sitzung der Grünen-Bundestagsfraktion in Wörlitz, auf der die Parteispitze den Abgeordneten auch ihr bisheriges Wahlkampfkonzept präsentierte. "Ich kann Ihnen sagen, ich freue mich auf den Wahlkampf", versprach der populäre Politiker, und das war auch deutlich zu spüren. Auch wenn Fischer als Star seiner Partei fast unangefochten in den Wahlkampf gehen dürfte, sind bei den Grünen die Empfindlichkeiten immer noch so stark ausgeprägt, dass auch er noch ausstehende Entscheidungen nicht vorwegnehmen durfte. Und also bemühte sich Fischer, die Autonomie des Parteirats nicht zu schmälern, der in Kürze über die Kandidatenfrage entscheiden soll.

Nur Außenseiter machen dem Minister eine Spitzenkandidatur ernsthaftig streitig - wie etwa der Kriegsgegner und Abgeordnete Winfried Hermann, der davon ein Signal befürchtet, wonach Pazifisten keinen Platz mehr bei den Grünen hätten. Offen aber ist noch, ob die Grünen neben dem Vizekanzler auch Politikerinnen prominent im Wahlkampf präsentieren. Denn in der Stammwählerschaft der Partei sind Frauen überproportional vertreten. Und gerade in einer Situation, in der die einzige deutsche Parteichefin die Kanzlerkandidatur verloren hat, wollen die Grünen sich als Partei der Gleichberechtigung zeigen - zumal die Quotierung auch in Spitzenfunktionen sichtbar wird.

Kein leichtes Jahr

Die Mobilisierung der Stammwähler ist nötig für die Partei, die bei allen Landtagswahlen seit 1998 Verluste eingefahren hat. Ein leichtes Jahr wird es nicht für die Regierungspartei, aber nur wenige sagen es so offen wie der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz: "Wir müssen kämpfen. Wir müssen unheimlich kämpfen", sagt er für das Wahljahr voraus. Mit Blick auf die Liberalen und die PDS konstatiert Schulz trocken: "Da ist ein erbitterter Existenzkampf ausgebrochen." Vor allem das neue Selbstbewusstsein der PDS nach der Regierungsbeteiligung in Berlin findet Schulz bedrohlich. Die eklatante Schwäche der Grünen in den neuen Ländern - in keinem Landtag sind sie dort mehr vertreten - ärgert einen der ganz wenigen profilierten Ost-Vertreter in der Fraktion der Grünen besonders.

Nach dem Willen der grünen Spitze soll es ein Richtungswahlkampf werden: Der Wähler soll am 22. September vor die Alternative gestellt werden, ob er eine Fortsetzung der "sozialen und ökologischen Modernisierung" mit der Regierung Schröder/Fischer will oder eine andere Koalition. Als sehr wichtig gilt den Grünen, dass sie im direkten Vergleich den Anspruch der FDP auf den dritten Platz im Parteienspektrum deutlich zurückweisen. Zu oft hat sich Gerhard Schröder mit Guido Westerwelle zum Zigarre rauchen zusammengesetzt. Gegen die Drohung einer sozialliberalen Koalition wollten manche grünen Strategen auch auf dem Feld der SPD-Stammwähler grasen. Umgekehrt mahnen Sozialdemokraten, dass Rot-Grün zulegen muss, wenn es denn für eine Fortsetzung des Bündnisses reichen solle.

Ein ehrliches Wort

Die Schwäche im Osten macht offensichtlich auch dem Außenminister Sorgen. In Wörlitz präsentierte er sich vor den Kameras mit Undine Kurth, einem Vorstandsmitglied der Partei, die als Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt die Partei wieder ins Parlament führen soll. Die Bundesspitze und auch Fischer haben Unterstützung versprochen. "Wir werden hart zu kämpfen haben", kündete Fischer für die Kampagne um Sachsen-Anhalt an. Auch zur leidigen Frage, ob er mit einer Spitzenkandidatin an der Seite leben könne, hatte Fischer dann noch ein ehrliches Wort übrig. Er ziehe seit 14 Jahren "vorneweg" in Wahlkämpfe, sagte er: "Für mich ändert sich so rum oder so rum nichts."

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