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Kultur: Rote Ohren

Was ist los, wenn Menschen sogar durchs Fenster in einen Buchladen eindringen wollen? Ganz einfach, man läßt Marquis de Sade vortragen.

Was ist los, wenn Menschen sogar durchs Fenster in einen Buchladen eindringen wollen? Ganz einfach, man läßt Marquis de Sade vortragen.In Juliettes Literatursalon in Mitte wurde kürzlich ein Lesemarathon mit dem noch immer als pornographisch verschrienenen Roman "Die neue Justine oder Das Unglück der Tugend.Die Geschichte ihrer Schwester Juliette" gestartet.Vorbei also die Zeiten, in denen man das mit gewissen "Stellen" durchsetzte Werk heimlich unter der Bettdecke lesen mußte.Schließlich tragen renommierte Leute wie Katharina Thalbach, Hermann Treusch, Peer Martiny, aber auch eine Dame des horizontalen Gewerbes, die Zeilen der frisch edierten Fassung nacheinander vor (alle zwei Wochen, wieder am 25.Mai, mit Katharina Thalbach, Beginn 20 Uhr, Gormannstraße 25).Den Anfang machte Blixa Bargeld von den "Einstürzenden Neubauten".Der in dunkles Tuch mit roter Krawatte gehüllte Musiker mit dem schwarz gescheitelten Haar ließ sich so manches pikante Wort genüßlich auf der Zunge zergehen.Stoff genug bietet sie, die Geschichte der zwei ungleichen Schwestern - die eine tugendreich, die andere verdorben.Das dichtgedrängte Publikum aus Sakko-Trägern und Studentenvolk zeigte sich indes mehr amüsiert als schockiert über das Treiben der geilen Alten, die der tugendhaften Justine unter den Rock wollen.Wer dabei rote Ohren bekam, sei getröstet: Die gingen in der Puff-Beleuchtung einwandfrei unter.

KATJA WINCKLER

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