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Kultur: Round Zero

"Die großen Schecks bleiben aus", meldet die Direktorin der "SoHo Rep. Theater Company", Alexandra Conley, "und wir hatten fest mit denen gerechnet!

"Die großen Schecks bleiben aus", meldet die Direktorin der "SoHo Rep. Theater Company", Alexandra Conley, "und wir hatten fest mit denen gerechnet!" Auch beim "American Museum of the Moving Image" in Queens hatte man beim herbstlichen Spendensammeln die aus den letzten Jahren gewohnten Summen erwartet, doch am Ende fehlten immerhin fast 100 000 Dollar. Viele der treuen Geldgeber des Kino-Museums hatten laut Sprecher Matt Bregman in den letzten Monaten zu viel Geld verloren oder sind mit schlechten Geschäftsaussichten konfrontiert.

In den USA, wo die Künste fast ausschließlich von der Gunst privater Geldgeber abhängen, ist eine Rezession auch im Kultursektor schnell und mitunter dramatisch spürbar. Ende November schlug eine Studie des privaten Forschungsinstituts "Center for an Urban Future" Alarm für die Szene in New York City. Von den etwa 2000 unabhängigen Kulturgruppen und -einrichtungen der Stadt hatte man 150 zu ihrer finanziellen Lage seit dem 11. September und der danach umso deutlicher spürbaren Rezession befragt. Ausnahmslos alle berichteten von finanziellen Einbußen. Über 90 Prozent hatten bei den üblichen herbstlichen Spendenaktionen ("Fundraising") weniger eingenommen als erwartet, und über die Hälfte mussten den Ausfall oder Aufschub angekündigter und fest eingeplanter Zuwendungen verschmerzen. Von den großen Museen bis zu den unzähligen kleinen Theater- und Performance-Gruppen sind alle von der ökonomischen Krise betroffen. Der Bericht sagt ein Schrumpfen der jährlichen Einnahmen in den Kulturinstituten um durchschnittlich 15 Prozent voraus, falls die derzeitigen Trends anhalten.

In schwierigen Zeiten leidet in Amerika die gesellschaftlich so bestimmende private Wohltätigkeit allgemein, doch die Künste sind meist als erste betroffen. Insbesondere in New York war die Geberlaune für kulturelle Zwecke in den letzten Monaten relativ schlecht, sei es wegen wirtschaftlicher Vorsicht, echten finanziellen Verlusten oder der Umleitung von Spenden zu den direkt mit den Anschlagsfolgen beschäftigten Hilfsorganisationen. Das trifft viele Einrichtungen hart. Für die non-profit orientierten Kulturinstitutionen - was die Broadway-Theater und die meisten Kunstgalerien ausschließt - kann man die finanziellen Ressourcen dabei in drei Kategorien einteilen: Neben den Stiftungs- und Spendengeldern wird hier Geld durch eigene Geschäftstätigkeiten verdient, etwa mit Eintrittspreisen, dem Verkauf von Begleitartikeln (zum Beispiel im Museumsshop), oder der Untervermietung von Bühnen und Proberäumen. Diese Eigeneinnahmen sind nach dem 11. September unter anderem durch das Ausbleiben der Touristen eingebrochen.

Die dritte Kategorie umfasst staatliche Gelder, in der Hauptsache das städtische Kulturbudget von 137 Millionen Dollar. Das sind weniger als 0,4 Prozent des Jahreshaushalts von New York. Es macht einen relativ kleinen Anteil der Kulturfinanzierung aus und wird hauptsächlich an die 15 größten Institute gezahlt, vor allem an die Museen und Bibliotheken. Dort ist es allerdings lebenswichtig, und auch hier rechnet man im nächsten Haushalt wegen der allgemeinen Finanzkrise der Stadt mit Kürzungen von etwa 15 Prozent.

Den Rückgang des Tourismus spüren vor allem die großen Museen. Das Guggenheim läutete bereits einen rigorosen Sparkurs ein und entließ über 80 Mitarbeiter, verschob zwei große Ausstellungen und wird seine Dependance in SoHo im Dezember schließen. Die Pläne für den spektakulären Neubau durch Stararchitekt Frank Gehry im Süden Manhattans seien bisher jedoch nicht in Gefahr. Das ebenfalls kostspielige Umbauprojekt des Museum of Modern Art (MOMA) ist zwar weitgehend finanziert, doch auch hier mussten die Kalkulationen korrigiert werden.

Währenddessen haben viele der kleineren Kultureinrichtungen, die vorwiegend von den New Yorkern selbst besucht werden, wieder ihre normalen Publikumszahlen erreicht. Die Monate September und Oktober haben allerdings Löcher in den Budgets hinterlassen. Eine große Entlassungswelle hat es hier bisher nicht gegeben.

Manche Stimmen warnen ohnehin vor einer übertriebenen Dramatisierung. "Es gibt zweifellos zu wenig öffentliche Gelder für Kultur in den USA", sagt Robert Crane, Vorsitzender der "Joyce Mertz Gilmore Foundation", einer der größten Stiftungen für die Unterstüztung von Tanz, Performance und Theater. "Aber das ist ein allgemeines Problem. Die konkrete Situation ist allerdings nicht so schlecht, wie man zunächst erwartet hatte." Die meisten größeren Stiftungen etwa haben ihr Zuschussvolumen und die konkreten Vergabepläne bisher nicht geändert und sie sind auch nicht von kurzfristiger Geberlaune abhängig.

Zudem stellte die "Andrew W. Mellon Foundation", die gewöhnlich für jährlich 40 Millionen Dollar Kultursponsoring gut ist, eine Woche nach der Veröffentlichung des alarmierenden Reports einen Spezial-Fond von zusätzlich 50 Millionen Dollar zur Verfügung. Daraus soll schnell und unbürokratisch Kulturinstitutionen geholfen werden, die direkt oder indirekt von der Katastrophe des 11. September betroffen waren. Nun basteln viele an ihrer "11 / 9"-Geschichte.

Aufgeatmet wird vor allem bei den besonders hart betroffenen Einrichtungen Downtown, denen es nicht schwer fallen wird, die Mellon Foundation zu überzeugen. Das "BAT Theatre" zum Beispiel, das sich unmittelbar in der Nähe von Ground Zero befindet, hat zur Zeit sowohl Probleme, Besucher anzulocken als auch Proberäume unterzuvermieten. Die Stiftung wird das Theater nun wohl vor dem Ruin retten. Für den benachbarten Stadtteil Tribeca gab es in dieser Woche einen weiteren Anlass zur Freude. Robert De Niros Firma "TriBeCa Entertainment" kündigte an, bereits im Mai zum ersten Mal das neue Tribeca-Filmfestival auszurichten. Der Start des schon länger geplanten Festivals wurde wegen der katastrophalen Folgen des WTC-Anschlages für Tribeca nun vorgezogen.

Auch am Broadway ist die anfängliche Untergangsstimmung gewichen. Nachdem in den ersten Wochen fünf Shows schließen mussten, konnten alle anderen überleben und die Besucherzahlen haben sich normalisiert. Zwar sind die Touristen noch nicht alle zurückgekommen, doch eine massive Werbekampagne mit persönlichem Einsatz von Bürgermeister Giuliani hat dafür gesorgt, dass die New Yorker selbst etwas häufiger den "Great White Way" besuchen: Vor einem Jahr waren nur 39 Prozent der Broadway-Zuschauer aus New York, nun sind es über die Hälfte. Trotzdem bleiben sechs neue Shows, die fürs Frühjahr angekündigt waren, zunächst in der Schublade, und viele Broadway Producer befürchten, dass das derzeitige Hoch ohne die Touristen nicht zu halten ist. Der Bericht des "Center for an Urban Future" jedenfalls zieht das Resümee, New Yorks Kultur habe jetzt ihre "finanziell schwierigste Periode seit dreißig Jahren" vor sich.

Ralph Obermauer

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