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Kultur: Routine-Runden mit der Staatskapelle Berlin

Das Werk von Dmitri Schostakowitsch existiert nur als Ausnahme von der Regel - in Brüchen, Zitaten und vorgetäuschten Haltungen. So gab der Komponist 1939 vor, an einer Lenin-Sinfonie zu arbeiten, die das "titanische Bild des Führers in Musik darstellen" wolle.

Das Werk von Dmitri Schostakowitsch existiert nur als Ausnahme von der Regel - in Brüchen, Zitaten und vorgetäuschten Haltungen. So gab der Komponist 1939 vor, an einer Lenin-Sinfonie zu arbeiten, die das "titanische Bild des Führers in Musik darstellen" wolle. In Wahrheit saß Schostakowitsch an seiner 6. Sinfonie, deren verzerrte Anlage ihn wieder mit der stalinistischen Kulturpolitik in Konflikt bringen sollte. Als Dirigent der Leningrader Philharmoniker und Freund Schostakowitschs erlebte Kurt Sanderling diese klaustrophobische Atmosphäre hautnah mit und gab sie später in herausragenden Interpretationen wieder. Davon war bei seinem Konzert mit der Staatskapelle nur wenig zu spüren. So sehr der 87-Jährige die Musiker auch mit kräftigen Ruderschlägen antrieb, Barenboims Edelklangkörper zog im seichten Fahrwasser der Routine seine Runden. So nahmen die reliefartigen Streicherfiguren im gewaltigen Kopfsatz nur schemenhaft Kontur an. Frappierender noch die Schwächen im Allegro- und Presto-Satz: Unsauberkeiten zerstörten das schneidende rhythmische Geflecht, während dynamische Steigerungen leichtfertig verschenkt wurden. Der graue Alltag siegte im Konzerthaus über den Ausnahmekomponisten, wie zuvor die Müdigkeit über Mozart. Dessen düster-melancholisches C-moll-Klavierkonzert fand in Mitsuko Uchida zwar eine Pianistin mit Sinn für klangliche Raffinesse, doch fehlte der Japanerin der nötige Biss, um ihren Part auch zu behaupten. Sanderling ruderte, Uchida lächelte - ganz fern, wie durch trübe Eisschicht gesehen.

U.A.

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