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Kultur: Sanft gelandet

Mit ihrem zweiten Auftritt beweist die fine art fair in Frankfurt, dass sich auch Messen erfolgreich kuratieren lassen

Abheben, aufsteigen, die Welt von oben betrachten: Fliegen kann so schön sein. Und die Landung so hart – weil einen schließlich doch das deprimierende Flughafengebäude schluckt. Die Chinesin Yin Xiuzhen, vertreten durch die Berliner Galerie Alexander Ochs, präsentiert solch ein kühles Einerlei von Kofferkarren, Anzeigetafeln und stillstehender Gepäckschleife auf der diesjährigen fine art fair Frankfurt als lakonisches Environment (2 40 000 Euro). Ihr „International Airport Terminal“ menschelt allerdings: Das Gepäcklaufband besteht aus schwarzen T-Shirts, die Freundinnen der Künstlerin getragen haben; an anderer Stelle ersetzen Hemdenknöpfe die Leuchtpunkte von Anzeigetafeln.

Ein bisschen erinnern Messehallen ohnehin an Terminals, auch oder gerade wenn dort Kunst gezeigt wird: kühles Ambiente, allgemeines Gedrängel, hochfliegende Sammlerträume vom günstigen Last-Minute- Kauf. Im deutschen „Luftraum“ wird es zurzeit allerdings etwas eng. Die Konkurrenzlinie Art Cologne startet erstmals im Frühjahr, und zwar schon kommende Woche. Zeitgleich buhlt die neue Düsseldorf Contemporary um Kunstreisende. Und Berlin wirft im Herbst die Motoren an.

Michael Neff, Frankfurter Messedirektor, musste sich also etwas einfallen lassen. Hat er auch: Schon zum Einstand 2006 zeigte er Profil und forderte den Galerien Künstler-Einzelpräsentationen ab. „Das Konzept hat mich unheimlich spießig selbst überholt“, sagt er jetzt und setzt diesmal alles auf eine Karte: Skulptur! Malerstars und Starfotografen bleiben in der Warteschleife.

Auch die klassische Galeristen-Koje ist diesmal weggekürzt: Eine nackte, dunkle 14 000-Quadratmeter-Bühne mit Spotlights auf die Kunst schafft Durch- und Einblicke, Blickachsen quer durch Epochen und bietet ungewohnte Perspektiven: Ein Lokalpatriot wie Hans Steinbrenner (Frankfurter Kunstkabinett), mit kubischen Figuren aus Eichenholz, sieht in Nachbarschaft von Thomas Hirschhorn und Martin Creed auf einmal gar nicht alt aus. John Chamberlains zerbeulte Blechplastiken (Schönewald) werden durch benachbarte Arbeiten von Franz West und Günther Förg re-radikalisiert. Nur ein knappes Dutzend Kleinplastiken des Historismus stehen auf ihrem Präsentiertablett wie verloren herum. Insgesamt glückt Neffs mutiger Schritt, als Kustos eines „Museums auf Zeit“ zu agieren – statt, wie vielfach noch üblich, schlicht eine Messe zu verwalten.

Dass Neff diese Skulpturenpark- schneise ins unübersichtliche Kunstangebot schlägt, dürfte manchen Galeristen besonders gut passen. Zwar ist etwa ein Gerd Harry Lybke gar nicht unter den Lieferanten dieser „Quality Street“ (das Motto für 2007 stammt von einer berühmten Bonbondose). Aber der Berliner Kunsthändler, der wiederholt den Trend zur Skulptur ausgerufen hat, wird sich in seiner Prognose bestätigt fühlen. Doch Neff winkt ab, obwohl er vom aktuellen Interesse an der Gattung Skulptur kräftig profitieren dürfte: „Abwechselnd werden Skulptur, Malerei und Fotografie für brandaktuell verkauft oder totgesagt. Das ist doch Blödsinn.“ Sein Skulpturen-Konzept für die Messe sei ein alter Traum, genährt von geschätzten, heute fast vergessenen Bildhauern wie Albert Hien. Dessen aus überdimensionierten Blechteilen zusammengeschraubtes „Fahrrad“ von 1985 (Galerie Thomas, 80 000 Euro) lehnt an einer Säule.

Mittendrin im Kunstgetümmel: Franz Wests „Finx“, eine rosa lackierte Mischung aus Phallus und Dreibeinstativ (Bärbel Grässlin, 160 000 Euro). Wests Aluminiumturm überragt den Parcours ebenso wie ein Dreier-Ensemble elektronisch blinkender Riesensterne, geschaffen von John Armleder, das gleichsam Rad schlagend auf sich aufmerksam macht (Mehdi Chouakri, 150 000 Euro).

Andere Arbeiten nutzt der Kurator zur Raumgliederung, um „Pop-, Trash- und Baumarktfraktionen“ (Neff) zu bilden. Von der Poesie des Materials lebt Sabine Hornigs Mauer „Vorher und Nachher“ die sich wie aus festem Sandstein gemacht in den Blick stellt, aber aus Papiermaché besteht (Barbara Thumm, 45 000 Euro). Das Halbrund einer Wand aus minimalistischen Glasbaustein-Modulen von Tilo Schulz (Jan Winkelmann, Berlin, 38 000 Euro) fließt mit den ähnlich gebogenen Spanplattenwänden von Valie Export zusammen, in die Überwachungskameras und -monitore eingebaut sind (Charim Galerie, 120 000 Euro). Die Wand ist massiv und verweist auf den „gläsernen Menschen“ – eine Zukunftsvision aus dem Jahr 1975.

Wenige Schritte davon entfernt darf der Künstler Gerwald Rockenschaub mit einem lachsrosa „Haremsvorhang“ dann doch die edle Koje ummanteln – für das Galerieprogramm von Mehdi Chouakri mit John Armleder, Silvie Fleury und Gitte Schäfer. Komplett wird das internationale Programm mit Hauser & Wirth, Thaddeus Ropac, Gisela Capitain und Arndt & Partner.

Mancher mag sich von Neffs Beschränkung auf die Skulptur ein „Zurück zum klassischen Objekt“ erhofft haben, wie es zurzeit im Berliner Kolbe-Museum postuliert wird. Doch trotz einiger Berührungspunkte wird in Frankfurt unverdrossen ein „erweiterter Skulpturbegriff“ propagiert. Paul McCarthys ins Gigantische aufgeblasene Gummipuppe auf dem Vorplatz tut nur so, als sei sie eine Bronze von Henry Moore, Carsten Höller stellt mit seinem „Trapezoid Swinging Room“ den Gleichgewichtssinn der Besucher auf die Probe. Und dann finden sich noch handgenähte Sägen, Messer und Pistolen aus Stoff in der bereits erwähnten Airport-Installation von Yin Xiuzhen: Die Künstlerin hat die Risiko-Objekte auf Flugreisen mitgenommen – und am Sicherheitscheck Diskussionen darüber ausgelöst, was Skulptur heute darf und was nicht.

Messegelände Frankfurt, Halle 9, bis 15. April, täglich von 12 – 20 Uhr

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