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Adel berichtet (48): Taxi entschleunigt

Stefan Stuckmann zeichnet auf, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Mitte der Woche sitzen mein Jungdackel Taxi und ich gerade in der Redaktionskonferenz, als ich plötzlich laut aufschreie: Taxis seidig glänzendes Fell, in dem sich das Licht der Deckenleuchten sonst so schön bricht – völlig stumpf. „Ein Arzt! Wir brauchen einen Arzt!“, rufe ich und springe auf, als sich ein Haar aus meinem Scheitel löst und langsam zu Boden sinkt.

Als wir 30 Minuten später in eine silberne Rettungsdecke gewickelt in der Kantine sitzen und mit zwei Tellern Obstsalat in das Lichttherapiegerät schauen, das ich schnell bei Saturn besorgt habe, ist uns klar: Da haben wir großes Glück gehabt. Mit Burn-out ist schließlich nicht zu spaßen. Ich hole uns zwei Tassen Kamillentee, dann versucht uns aber schon wieder der Journalismus: Sollen wir dem heißen Tipp aus dem Internet nachgehen, dass eine der BER-Flugrouten nicht nur über einem Forschungsreaktor verläuft, sondern auch über einer Furzkissenmanufaktur? Das ist definitiv Titelmaterial. Aber bei dem Wetter raus an den Wannsee? Weiter: der Hinweis von Taxis Informanten, dass Zoo-Chef Blaszkiewitz drei Schimpansen dazu zwingen wollte, sich als Eisbär Knut zu verkleiden? Riesennummer. Aber eigentlich haben die Affen bei mir Mediensperre, solange ich nicht meine FC-Bayern-Mütze zurückbekomme. Zuletzt: der Vorschlag vom Volontär, uns als Geldautomaten zu verkleiden und so lange zu warten, bis wir von Gangstern geklaut werden? Ach. Können wir auch noch nächste Woche machen!

„Die Kunst ist ja“, poste ich eine Stunde später von der Grünen Woche aus auf meine Facebook-Seite, „die heißen Eisen auch mal liegen zu lassen. Man macht sich ja kaputt sonst.“ Dann kommt auch schon Taxi auf einem großen Laib Käse um die Kurve balanciert, und sofort geht's weiter in Halle 1 zur „Lustigen Hunde-Comedy-Show“. Taxi versucht spontan, noch einen Startplatz zu ergattern, wird aber abgelehnt. Unter uns: In dem Alter muss man mit Kritik ja vorsichtig sein, aber seine Kunstfigur „Taxi aus Marzahn“ war mir doch irgendwie zu grob gestrickt.

Beim Wettbewerb „Katzenliebling des Tages“ dagegen läuft es deutlich besser: Als Taxi am Ende den Preis für den dritten Platz entgegennimmt, rinnt mir eine Träne die Wange hinab. Als Preis gibt’s für ihn eine Garfield-DVD, für mich die Holzkiste „Flavor of Madagascar“. Kommt mir sehr gelegen: Bald haben einige Kolleginnen Geburtstag, und als emotional intelligenter Mann ist es für mich selbstverständlich, nicht immer nur Gutscheine zu verschenken, sondern auch mal losen Tee.

Hochachtungsvoll,

Ihr

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