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Otto Mellies

© picture-alliance/dpa

Schauspieler Otto Mellies zum 80.: Ein Mensch steht auf der Bühne

Ausgeglichenheit kennzeichnet das schauspielerische Lebenswerk, denn schon in jungen Jahren interpretierte Otto Mellies die klassischen Rollen von Shakespeare, Goethe und Schiller.

Laut und wirkungssüchtig ist der Schauspieler Otto Mellies nicht, im Gegenteil. Ausgeglichenheit kennzeichnet das schauspielerische Lebenswerk, denn schon in jungen Jahren interpretierte Mellies die klassischen Rollen von Shakespeare, Goethe und Schiller mit Bedacht und konnte von Anfang an auf die Ausdruckskraft seiner tiefen, samtigen Stimme vertrauen. Am 19. Januar 1931 im polnischen Stolp geboren, verstand er sich immer als Diener an der Rolle, am Werk – trotz aller Erfolge kann man ihn einen Bescheidenen nennen. Vom Ehrgeiz, sich über den Text zu erheben, sich Kürzungen oder Zutaten herauszunehmen und den Zeitströmungen zu unterwerfen, hält er nichts. Ihm liegt an der Integrität der Dichtung.

Auch im Film, im Fernsehen und Rundfunk hat Otto Mellies eine kaum überschaubare Fülle von Aufgaben übernommen. In der DDR erreichte er durch die Titelrolle im TVMehrteiler „Dr. Schlüter“ (1965) eine überwältigende Popularität, bis heute ist er in anspruchsvollen Produktionen zu sehen. Über Jahrzehnte spielte er die Grübler, die Nachdenklichen, Zerrissenen und Zaghaften. Glaubwürdig waren sie alle.

Gern erzählt Mellies, der einen Schatz an Theateranekdoten hütet, wie alles begann. Lucie Höflich in Schwerin ließ sich von der Leidenschaft des blutjungen Mannes mitreißen und gab ihm ersten Unterricht. Nach Engagements in Schwerin, Neustrelitz, Rostock und Erfurt kam Mellies 1956 ans Deutsche Theater Berlin. Wolfgang Langhoffs verstandesklare, unbestechliche Arbeit mit klassischen und zeitgenössischen Dramatikern wurde ihm Ansporn und Vorbild. Auch mit den Regisseuren Wolfgang Heinz, Adolf Dresen, Thomas Langhoff, Friedo Solter und Jürgen Gosch arbeitete Mellies zusammen, das DT wurde seine künstlerische Heimat.

In seinen gescheiten, heiter gehaltenen Erinnerungen „An einem schönen Sommermorgen ...“ (Verlag Das Neue Berlin) sieht er die Bühne in der Schumannstraße in hellem, fast schattenlosem Licht. Konflikte sind seine Sache nicht, er setzt auf Verständnis, Solidarität und die Arbeit im Ensemble. Dass er neben Inge Keller das älteste noch aktive Mitglied des legendären Langhoff-Ensembles ist, sieht er mit mehr als einem Hauch Resignation – aber auch mit der Zuversicht, das Vermächtnis der Kollegen lebendig halten zu können.

Womit wir beim Nathan wären, den Mellies 1987 unter der Regie von Friedo Solter als Vierter nach 1945 auf die Bühne des Deutschen Theaters brachte. 325 Mal spielte er die Rolle und löste sie aus ihrem konventionellen Gutmenschentum. „Nathan hat einen wunderbaren Charakter, menschlich, vernünftig, aber auch gewieft. Er gibt nie einen weisen Spruch von sich, sondern umschifft vielmehr die Fährnisse seines Lebens durch kluges und besonnenes Verhalten.“ Das mag ähnlich auf ihn selbst zutreffen. Er spielte den Juden ruhig, überlegen, aber auch ängstlich und aufgebracht, ja voller Hass gegen jeden religiösen Fanatismus. Ein Mensch stand auf der Bühne, kein unerreichbarer Held. An diesem Mittwoch feiert Otto Mellies seinen 80. Geburtstag. Christoph Funke

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