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Kultur: Schauspieler sind Krieger

Der deutsche Delon: Stipe Erceg über Männerschweiß und Heiligabend

Herr Erceg, muss es die Männergarderobe sein? Hier riecht es nach Männerschweiß. Ist das für Sie das Odeur des Theaters?

Durchaus. Beim Film gibt es keine Garderoben, wo sechs Männer aufeinander hocken. Theater ist viel familiärer. Man kommt sich mit der Zeit ziemlich nah. Gezwungenermaßen.

Sie treten zum ersten Mal an der Schaubühne auf, in Falk Richters neuem Stück „Verstörung“, das an Heiligabend in Berlin spielt. Es ist die kälteste Nacht des Jahres. Ein Anti-Weihnachtsstück?

Diese Nacht hat nichts Heiliges. Und ich bin auch schon ganz verstört!

Eigentlich ist doch jede der Figuren verstört?

Sie sind insofern verstört, als sie nicht mehr fähig sind, eine normale Beziehung zu führen. Diese Menschen fühlen sich leer und einsam und haben im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: entweder in eine tiefe Depression zu versinken oder hysterisch dagegen anzukämpfen.

Was haben Sie für Erinnerungen an Weihnachten?

Nur glückliche, denn Weihnachten habe ich bislang immer mit meiner Familie gefeiert. Ich weiß nicht, ob es ein Fest der Liebe und Versöhnung ist, aber ein Fest der Familie ist es auf jeden Fall. Ich persönlich brauche Liebe an Weihnachten aber genauso dringend wie an Ostern, im Sommer wie im Herbst!

Sie sind katholisch erzogen worden. Woran glauben Sie?

Natürlich an Gott und an Jesus Christus. Ich glaube an Liebe, an Nächstenliebe und Mitgefühl.

Die christlichen Werte also.

Absolut. Auch wenn Gott mir manchmal wegrutscht. Es gab Zeiten, da hatte ich meinen Glauben verloren, weil ich die Welt als total ungerecht empfand. Aber ich bin überzeugt: Gott bestraft nicht. Wozu auch? Gott ist gerecht! Der Mensch straft sich selbst.

Beten Sie?

Mit 16 Jahren habe ich den Versuch gemacht, zu beten und den Rosenkranz wie ein Mantra runtergeleiert. Ein Moslem hat mir dann gesagt: Lieber einmal richtig beten als hundert Mal falsch. Jahre später fühlte ich mich sehr bedrückt. Ich lag im Bett und flehte: Bitte, nimm diese Last von mir, ich kann nicht mehr! Auf einmal ist alles weggeflogen. Ich dachte, wow, es ist ein Wunder geschehen. Am nächsten Tag wollte ich es wieder probieren – umsonst! Das kann man nicht steuern. Theaterspielen ist übrigens ähnlich.

Sie vertrauen Ihrem Instinkt?

Ich bin ein totaler Instinktmensch. Trotzdem ist Technik wichtig. War es nicht Robert Schumann, der sich seine Finger wund gespielt hat? Weil er immer gehofft hat, dass alle Sterne zusammenkommen.

Wie kann sich denn ein Schauspieler wund spielen?

Man kann verbrennen, ausbrennen. Für mich ist die entscheidende Frage: Wo hole ich heute meine Energie her? Ob nun durch Meditation, oder indem ich gut essen gehe oder mit meiner Frau schlafe.

Das sind Methoden, die man nicht unbedingt an der Schauspielschule lernt.

Ich praktiziere Zen-Meditation. Aber danach bin ich gelegentlich so müde, dass ich zwei Stunden schlafe. So einfach geht es doch nicht mit der Erleuchtung.

Sie wollten ja zunächst Profifußballer werden. Wieso ist nichts daraus geworden?

Ich habe sechs Mal die Woche trainiert, das war mir irgendwann zu stumpf. Fußball hat mir doch nicht so viel gegeben. Muskeln – das war’s dann aber auch. Heute ziehe ich asiatische Kampfkünste vor. Schauspieler sind auch Krieger.

Das müssen Sie erklären!

Schauspielen ist ein permanenter Kampf – ein Kampf mit sich selbst. Man muss sich sammeln und aus seiner Alltäglichkeit herausspringen.

Hat so ein Schauspiel-Samurai auch einen Ehrenkodex?

Ehrenkodex ist zu hoch gegriffen. Aber ich trage absolut die Verantwortung für das, was ich mache. Wenn ich versage, dann ist es meine Schuld und nicht die des Regisseurs. Wenn ich gewinne, dann ist es mein Verdienst.

Sie wurden mit dem Film „Die fetten Jahre sind vorbei“ bekannt und gelten seitdem als lässiger Rebell. Fürchten Sie, auf einen bestimmten Typ festgelegt zu werden?

Ja. Ich bin meist der Macho. Der Lover, der ständig andere Frauen hat, der charmant, smart und aggressiv ist. Die Figuren, die mir angeboten werden, haben immer ein Drama in sich. Ich hätte Lust, mal einen saucoolen Typen zu spielen. Einen, der kein Problem hat.

In „Verstörung“ spielen Sie Gay Romeo, mit dem Bruno Cathomas eine InternetVerabredung trifft. Gay Romeo sagt: „Ich bin nicht einsam.“ Er hat kein Problem.

Der Typ hat sich entschlossen, nicht mehr einsam zu sein. Aber einsam sind wir alle.

Ist Gay Romeo ein obskures Objekt der Begierde? Oder der Erlöser?

Ich will nur so viel verraten: Ich bin die letzte Hoffnung für Bruno Cathomas.

Das Gespräch führte Sandra Luzina.

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