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Kultur: Schiffe im Meer

Das Ende der Welt ist jetzt mittendrin: Der Berliner „Galerierundgang der Zehn“ führt auf neue Wege

Eva Poll hat das große Los gezogen. Glamourös lächeln bei ihr die schönsten Ladies von der Wand: Uma Thurman, Penelope Cruz, Liv Tyler, Kate Moss, Madonna und Marilyn. Der lettische Maler Ritums Ivanovs, Jahrgang 1968, hat die Schönen aus Film- und Modewelt porträtiert, auf 150 mal 115 Zentimetern, blau getönt und mit feiner Farb-Maserung, als seien sie auf alte, brüchige Holzplatten gemalt (675 bis 4500 Euro).

Ritums Ivanovs hätte auch Boris Brockstedt gern gezeigt. Seine Wahl, die litauische Malerin Ruta Katiliute, ist weniger griffig und in Abbildung auch noch schlecht wiederzugeben. Monochrome Flächen, himmel- oder meerblau, manchmal auch wolkenweiß, unter denen an manchen Stellen zart eine kräftig orangene Grundierung durchscheint. Abstrakte Bilder, die man dennoch mit Motiven assoziiert, ein Schiff im Meer, Himmel, eine Welle (bis 7000 Euro). Die Künstlerin, mit ihrer Kunst in Litauen eher eine Außenseiterin, fühlt sich in Westeuropa besser verstanden. Abstrakte Kunst, erzählt sie, habe zu sowjetischen Zeiten den Verdacht erweckt, die Bilder wollten etwas verbergen.

Werner Tammen wiederum ist ganz überrascht. Er hatte sich für den zypriotischen Künstler entschieden, in der Annahme, dass es da wohl kein großes Interesse gebe. Und doch standen drei weitere Galerien bei ihm an, die sich für Zenon Jepras realistische Bilder zwischen Gegenwart und Mythologie interessierten. Zu Tammens Programm passt Jepras indes besonders gut, und dass der Künstler mit seinen ganzen Utensilien unter dem Arm am Frankfurter Flughafen ankam, hat ihm auch gefallen.

So ganz ohne Konflikte und Rangeleien wird es nicht abgegangen sein unter den neun Berliner Galerien, die sich gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen des von Zsuzsa Breier initiierten „Kulturjahrs der Zehn“ an einem außergewöhnlichen Projekt beteiligen: dem „Galerierundgang der Zehn“. Das Prinzip: Die neuen EU-Beitrittsländer stellen die heimatlichen Kunst- und Galerieszenen in Berliner Gastgalerien vor. Die Vorschläge kamen aus den Ländern, von Galeristen und Kunstexperten, die Auswahl traf die Jury der Berliner Galerien. Keine unriskante Aktion, mit in Westeuropa noch relativ unbekannten Künstlern zu einer Zeit in Berlin aufzutreten, da mit der Eröffnung der Flick-Collection, mit Kunstherbst und Art Forum die geballte Kunstaufmerksamkeit auf der Stadt ruht. Doch auch von auswärts kam schon Interesse an dem neuen Kunstschwerpunkt in Berlin: Die Messen von Frankfurt und Karlsruhe fragen an, auch in München wird man Mitte September eine Auswahl der Künstler präsentieren.

Für Giedre Bartelt war die Auswahl keine Frage: Schon seit zwei Jahren möchte die litauische Händlerin, die sich mit ihrer Galerie in der Linienstraße erfolgreich auf osteuropäische Kunst spezialisiert hat, die Fotoarbeiten des estnischen Künstlers Peeter Laurits zeigen. Es sind Albtraumbilder einer an die Macht gekommenen Natur, die sich gegen den Menschen erhebt. Da werden Arme von Zweigen durchbrochen, Köpfe von Ästen erschlagen, Körper von Federn durchbohrt, lagern nackte Menschen im Fluss oder tote Anzugträger im Sand. Das letzte Bild zeigt eine idyllische Wald- und Seenlandschaft. Kein Mensch ist mehr zu sehen. Der Titel lautet: „Das Ende der Welt.“

Galerierundgang der Zehn, bis Mitte Oktober. Informationen und Adressen unter www.kulturjahrderzehn.de

Christina Tilmann

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