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Kultur: Schinner-Theater

Peter Laudenbach freut sich auf die neue Theatersaison Der Sommer ist vorbei, die Bürotage werden länger. Zum Auftakt einer Theaterspielzeit gehört unvermeidlich und seit alters her das rituelle Jammern und Wehklagen.

Peter Laudenbach freut sich

auf die neue Theatersaison

Der Sommer ist vorbei, die Bürotage werden länger. Zum Auftakt einer Theaterspielzeit gehört unvermeidlich und seit alters her das rituelle Jammern und Wehklagen. In der antiken Tragödie dienten die Klagegesänge der seelischen Reinigung („Katharsis“). Heutzutage sind sie aus dem Mund von besorgten Intendanten eher die Begleitmusik der unvermeidlichen Hauhaltsverhandlungen, die schon Brecht besungen hat („Bei den Haushaltsverhandlungen, die kommen werden, werde ich hoffentlich / Meine Virginia nicht ausgehen lassen durch Bitterkeit.“)

Und weil Theater immer heute stattfindet, müssen die schönen alten Rituale als moderne Klassiker stets neu interpretiert werden (Jan Kott schrieb darüber ein berühmtes Buch mit dem Titel „Klagegesänge heute“). Einen vielversprechenden Beitrag zur Modernisierung der ewig jungen Katastrophen-Lyrik hat jetzt Holk Freytag, Vorsitzender der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein und Intendant des Staatsschauspiels Dresden, für den 3. Oktober angekündigt. Zum Gedenken der an der Front der Haushaltsverhandlungen Gefallenen – des vor zehn Jahren geschlossenen und seither eigentlich nicht besonders schmerzlich vermissten Berliner Schiller Theaters –, schlägt Freytag vor, dass auf allen deutschen Bühnen „an diesem Abend die Stücke unterbrochen und Resolutionen verlesen werden“. Was künftige Theaterschließungen garantiert nicht verhindern wird, aber vielleicht die eine oder andere langweilige Theatervorstellung mit einem Hauch von Anarchie und Widerstand verzieren könnte. Wenn das alles nicht so schrecklich larmoyant wäre, könnte Holk Freytags Idee als gelungene Marketing-Maßnahme durchgehen. Und sei es mit solch frappierenden Sätzen wie „Die Utopie bleibt auch weiterhin dem Theater vorbehalten“, die geschmacksempfindliche Menschen vor dem Besuch eines Theaters warnen können.

Den besten, weil sarkastischsten Kommentar zur Abwicklung des Schiller Theaters lieferte seinerzeit übrigens Frank Castorf. In seiner „Pension Schöller“ an der Volksbühne gab es einen sprachbehinderten Kellner, der statt „L“ immer nur „N“ sagen konnte und trotzdem schrecklich gerne Schauspieler geworden wäre. Während westdeutsche Intendanten nach der Schiller-Schließung noch vom „größten Kulturkampf, den die Bundesrepublik je gesehen hat“ träumten (so Frank- Patrick Steckel), ließ Castorf seinen Kellner eine hübsche kleine Bosheit sagen: „Mit meinem Tanent wäre das Schinner Theater nie geschnossen worden.“

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