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Zarah Leander als Sängerin und Viktor Staal als Jagdflieger in „Die Große Liebe“ (1942), dem erfolgreichsten Film im „Dritten Reich“.

© Deutsche Kinemathek

100 Jahre Ufa Kino: Schlacht in den Wolken

Zum 100. Geburtstag der Ufa zeigt das Babylon-Kino eine umfassende Retrospektive. Zu sehen sind auch Fliegerfilme der NS-Zeit. Ihre Botschaft ist simpel: Der Krieg macht Spaß.

Gute Propagandafilme müssen unterhalten. Im August 1945 brachte Billy Wilder eine erfolgversprechende Rezeptur auf den Punkt: Stars, Technicolor und eine Liebesgeschichte würden ideologische Inhalte effektiv an die Zuschauer verkaufen: „Die Leute würden für die Karten Schlange stehen und sobald sie im Kino wären, würde die Botschaft funktionieren“, notierte Wilder im August 1945. Der jüdische Emigrant trug inzwischen eine amerikanische Uniform. Wilder hatte sein filmisches Talent eingesetzt, um den Amerikanern zu helfen, den Krieg zu gewinnen.

Auch die deutsche Filmindustrie hatte sich in den Jahren des Nationalsozialismus an einem ähnlichen Modell orientiert, wie es Wilder im zerbombten Nachkriegsberlin formulierte: Regisseure setzten auf Stars und Liebeskomödien, um den Deutschen den Krieg schmackhaft zu machen. Eduard von Borsody lockte mit „Wunschkonzert“ (1940) 26,5 Millionen Zuschauer in die Kinos und toppte damit sogar Veit Harlans antisemitischen Film „Jud Süß“ (1940).

Wer fliegt, hat mehr vom Leben

Mit knapp 28 Millionen Besuchern zählte Rolf Hansens „Die große Liebe“ (1942) mit Ufa-Star Zarah Leander, die dem deutschen Jagdflieger Paul Wendlandt (Viktor Staal) den Kopf verdreht, ebenfalls zu den erfolgreichsten Filmen. Noch 1943, 18 Monate nach Kinostart, spielte er acht Millionen Reichsmark ein. Ufa-Konkurrentin Tobis AG setzte mit „Zwei in einer großen Stadt“ (1942) noch konsequenter auf Unterhaltung. Karl John verliebt sich in der Rolle des Feldwebels Bernd Birckhoff bei seinem Sonderurlaub in Berlin in die hübsche Rotkreuzschwester Gisela Meinhold (Monika Burg).

Die drei Filme zählten zu den größten Kinoerfolgen im „Dritten Reich“, sie trafen den Geschmack der Zeit – obwohl die deutsche Bevölkerung dem Krieg mit zunehmend gemischten Gefühlen begegnete. Ihr Erfolgsrezept war einfach: Romantische Komödien mit Musikeinlagen, Berlin als Haupthandlungsort mit gekonnt in Szene gesetzten Sehenswürdigkeiten und NS-architektonischen Highlights, fesche Flieger und hübsche junge Frauen als Protagonistinnen.

„Wer fliegt, hat mehr vom Leben, und der nicht fliegt, lebt länger“, dieser Spruch kursierte im Zweiten Weltkrieg unter Mitgliedern der Luftwaffe. Soldat und vor allem Jagdflieger zu sein beinhaltete Lust und Freude am Risiko. Der Luftraum wurde zum Raum der Freiheit stilisiert, in dem die eigene Männlichkeit erprobt werden konnte. Es erstaunt somit wenig, dass die drei Filme allesamt erstklassige, hochdekorierte Flieger als Protagonisten wählten. Ähnlich wie die amerikanischen Kinohelden der dreißiger und vierziger Jahre waren die Ufa-Piloten draufgängerisch und vereinten sämtliche Soldatentugenden wie Standhaftigkeit, Härte, Energie, Ausdauer, Teamgeist und Loyalität, dazu zwei besonders „deutsche“ Qualitäten: Disziplin und Ordnungssinn.

Soldaten in Badehosen

Fliegersein bedeutete aber eben auch, ungebunden zu sein, wie ein Dialog in „Die große Liebe“ zwischen Paul Wendlandt und Oberleutnant von Etzdorf am Einsatzort in Frankreich veranschaulicht. „Willst du ernsthaft ein Heiratsgesuch einreichen?“ Etzdorf versteht seinen Freund nicht. Warum sich auf eine Frau festlegen, wenn man viele haben kann? Das Männergespräch ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen prallen hier zwei unterschiedliche Positionen aufeinander: Etzdorf will ledig und selbstbestimmt bleiben, während Wendlandt nun endlich zu wissen glaubt, für wen er kämpft. Das ernste Gespräch findet am Strand statt: zwischen zwei halbnackten Männern in Badehose.

Auch in „Zwei in einer großen Stadt“ werden die athletischen Körper der Piloten prominent ins Szene gesetzt. Im Strandbad Wannsee trifft der Feldwebel die Rotkreuzschwester Gisela. Ins Auge sticht die Zurschaustellung halbnackter Männerkörper, die in NS-typischer Ästhetik mit der Schaulust des Publikums spielt. Der NS-Film machte Fliegerkörper zu Objekten weiblicher Begierde. Die Popularität mancher Jagdflieger lässt sich dem Historiker Matthias Rogg zufolge mit dem Starkult um Filmgrößen durchaus vergleichen: Der „nationalsozialistische Supermann“ war ein Fliegeroffizier.

Diese Körperbilder der Flieger entsprachen der Kriegsrealität und einem Körpergefühl der deutschen Soldaten. So enthalten private Fotoalben aus jener Zeit, die die Historikerin Petra Bopp erschlossen hat, Aufnahmen nackter Wehrmachtssoldaten, die ungeniert in Dorfflüssen baden – teilweise vor den Augen der streng religiösen Bevölkerung. Und als im Mai 1943 mit der Niederlage des Afrikakorps 135 000 deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft gerieten, wunderten sich ihre Bewacher halb fasziniert, halb brüskiert über die „half naked Nazis“, deren Angewohnheit, bei jeder denkbaren Gelegenheit ihre T-Shirts auszuziehen, ihnen befremdlich erschien. Die US-Armee erließ bald darauf den Befehl, dass sich die deutschen Gefangenen nur bei sportlicher Betätigung oder Arztvisiten entblößen durften.

Deutsche Körper mit Sex-Appeal

In den Fliegerfilmen zeigt sich also ein nationalsozialistisches Körperverständnis, das mit dem bürgerlichen Schamempfinden brach. Dem deutschen Kinopublikum waren die halbnackten Männer- und Frauenkörper Projektionsflächen: Für Frauen verkörperten die Piloten Wunschliebhaber, die den Mangel an gleichaltrigen Männern in ihrem Alltagsleben kompensierten. Den Männern machten die verwegenen, attraktiven und obendrein erfolgreichen Offiziere das Idealbild des neuen, „arischen“ Übermanns auf sympathische Weise schmackhaft. Die sportlichen, selbstbewussten jungen Frauen wiederum waren nicht nur für männliche Kinozuschauer attraktiv, auch Frauen konnten sich mit ihnen identifizieren. Ihre Körperinszenierungen präsentierten dem Kinopublikum eine neue Ordnung, die Sex-Appeal hatte.

Krieg als technisches Spektakel: In „Wunschkonzert“ folgt das Publikum Herbert Koch 1936 bei seinem Bombardierungseinsatz im Spanischen Bürgerkrieg, drei Jahre später fliegt der Hauptmann Angriffe auf Polen. „Die große Liebe“ beginnt sogar mit einem spektakulären Bombeneinsatz Paul Wendlandts in Großbritannien. Doch der Krieg ist nicht nur Nervenkitzel und ästhetisches Spektakel, er ist auch eine Zerreißprobe. Die Einsätze der Fliegeroffiziere sorgen für erhebliches Konfliktpotenzial, da sie den Paaren eine Trennung aufzwingen – womit besonders die Frauen zu kämpfen haben. Der Krieg forderte den Einsatz von Ehemännern und Verlobten, dieses Schicksal teilten die Hauptfiguren mit Millionen von jungen Paaren. Alle Filme vermittelten eine unmissverständliche Botschaft: Krieg ist Sache des ganzen Volkes und er fordert Verzicht und Hingabe. Liebe dient dem Krieg und nicht umgekehrt.

Imageaufbesserung im Kino

Es geht in den Ufa-Fliegerfilmen um ein NS-Lebensgefühl: Dynamik, Modernität und Kriegsvergnügen. Nationalsozialismus und Krieg machen Spaß – und sie sind alle Mühen wert. Nach der Niederlage im Mai 1945 und der Konfrontation der deutschen Zivilbevölkerung mit den nationalsozialistischen Verbrechen deutete die Nachkriegsgesellschaft den Krieg, nicht aber das „Dritte Reich“ um. Eine Rolle für dieses beschönigte Bild spielte nicht zuletzt die Filmindustrie. Noch lange nach dem Krieg bewahrten die deutschen Unterhaltungsfilme die Erinnerung an das „Dritte Reich“. Der Nationalsozialismus war gut, so die weitverbreitete Auffassung, die sich zuhauf in Tagebüchern und Briefen findet, nur der Krieg war „böse“.

Elissa Mailänder ist Historikerin. Ihr Artikel ist die gekürzte Fassung eines Beitrags aus dem Sammelband „Linientreu und populär. Das Ufa-Imperium 1933 bis 1945“, herausgegeben von Rainer Rother und Vera Thomas. Das Buch erscheint im November im Bertz + Fischer Verlag.

Elissa Mailänder

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