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Kultur: Schlappen und Strapazen in den Berliner Sophiensälen

Die Paarungsrituale geschlechtsreifer Großstädter - das Thema scheint mitsamt seiner Idiotien und Hysterien längst ausbuchstabiert, und doch reizt es die Choreographen immer aufs Neue. "Intervista" nennt Sommer Ulrickson ihr Tanzstück, das in San Francisco entstand und nun in den Berliner Sophiensälen zu sehen ist.

Von Sandra Luzina

Die Paarungsrituale geschlechtsreifer Großstädter - das Thema scheint mitsamt seiner Idiotien und Hysterien längst ausbuchstabiert, und doch reizt es die Choreographen immer aufs Neue. "Intervista" nennt Sommer Ulrickson ihr Tanzstück, das in San Francisco entstand und nun in den Berliner Sophiensälen zu sehen ist. Die Tanzszenen werden einmal flankiert von Ausschnitten aus Interviews zu Liebe, Freundschaft und Sex. Zudem werden Auszüge aus den Untersuchungen des Zoologen Frans de Waal vorgelesen, der das Sozial- und Sexualverhalten der Bonobos studierte. Die Bonobos sind den Schimpansen verwandte Menschenaffen, die sich bei der Begattung ins Angesicht schauen. Dies ist eine der gewinnbringenden Erkenntnisse, die man mit nach Hause tragen darf. Die zweite lautet - wenig überraschend: Die Bonobos haben es leichter als wir Menschen.

Sex 2000: an diesem Abend wird er irgendwo zwischen Zoologie und Befragung, Geständnis, Anweisung verortet. Mit zoologisch geschultem Blick führt Sommer Ulrickson ritualisiertes Verhalten zwischen Anmache und Paarakrobatik vor. Die vier Frauen in Abendkleidern sitzen auf Schaukeln, die Männer schreiten beherzt aus. Einer fällt bei diesem Annäherungsversuch durch ungebührliches Zaudern auf. Martin Clausen ist seit seinem Auftritt bei "Nico & the Navigators" ein gefragter Jungakteur. Er verkörpert den Jüngling, bei dem sich Verunsicherung mit heißem Bemühen paart. Diesem Novizen und nicht den routinierten Galanen fliegen die Herzen zu. Denn er ist sichtlich bemüht, als Beglücker eine gute Figur zu machen. Von Martin Clausen stammt der schönste Satz des Abends. Nachdem er sich auf Andrea Hovenbitzer, einer hochgewachsenen und imponierend durchtrainierten Blondine, abgemüht hat, gesteht er: "Ich glaube, ich bin etwas schief."

Höhenflüge und Abstürze werden vorgeführt, die Paartänze wirken beschwingt und auch schon einmal schwerfällig, etwa wenn die Tänzer auf dem Boden herumrutschen. Erzählt wird von Schlappen und Strapazen, nicht vom sexuellem Elend im Spätkapitalismus. Sommer Ulrickson wappnet sich mit versöhnlicher Humor - und geht das Thema durchaus sportiv an. Auch in der Liebe sind Kenner und Könnerschaft gefragt, da muss man eben viel trainieren.Bis 12. März, jeweils 20 Uhr

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