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Kultur: Schloss Paretz: Wo das Großartige einfach ist

Wanderer, kommst du nach Paretz - du siehst ein Wunder. Aus dem hässlichen Entlein hat sich ein stolzer Schwan entwickelt.

Wanderer, kommst du nach Paretz - du siehst ein Wunder. Aus dem hässlichen Entlein hat sich ein stolzer Schwan entwickelt. Das königliche Herrenhaus hat sein klassizistisches Aussehen zurück bekommen. Ocker gestrichen, sticht es von Nebengebäuden ab, die noch der Restaurierung harren. Über der schlichten Eingangstür prangt wieder das charakteristische Rundbogenfenster, flankiert von Rosetten. Mit der 20 Kilometer von Potsdam entfernten Sommerresidenz König Friedrich Wilhelms III. und seiner Gemahlin Luise ging die Geschichte nicht gerade sanft um. Nach dem frühen Tod der Königin im Jahr 1810 sank das 1797 / 98 von David Gilly errichtete "Schloss Still-im-Land", wie Fontane es bezeichnete, in einen Dornröschenschlaf. Ein abgeschiedener Sitz im heutigen Kreis Havelland, den die Hohenzollern nur noch selten betraten, jedoch als Luisen-Memorial nicht antasteten.

Erstaunt werden Besucher den wenig königlichen Zuschnitt bemerken, wenn sie an andere Residenzen denken. Das hohe Paar verzichtete auf Repräsentationsräume und große Treppen, stattete das einstöckige Haus mit gediegenem Mobiliar aus, ließ die Wände nicht mit Seidebahnen, sondern mit bemalten Papiertapeten schmücken. Friedrich Wilhelm III. und Luise suchten in Paretz den - wie die Königin schrieb - "stillen Schatten der Natur". Als einfache Gutsleute verzichteten sie auf Etikette, pflegten mit der Dörflern erstaunlich unkonventionelle Beziehungen fast von gleich zu gleich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Idylle vorbei. Erst zog die Rote Armee in das Herrenhaus ein, dann erfolgte der Radikalumbau zur Bauernhochschule: Als königliche Sommerresidenz sollte der schlichte Bau nicht mehr erkannt werden. Immerhin erlitt er nicht das Schicksal vieler anderer Herrenhäuser, die in Feuer aufgingen oder als Steinbruch missbraucht wurden. Fenster und Türen des Schlosses wurden brutal verändert, die kleinteilige Raumstruktur aufgerissen, große Sitzungsräume eingerichtet. Zwischendecken ließen die Stuckaturen verschwinden. Der hässliche Rauhputz an der Aussenfassade wurde erst jetzt beseitigt.

Von der gehobenen Wohnkultur blieben nur Reste. Zum Glück konnten die kostbaren Papiertapeten aus der Zeit um 1800 nach Sanssouci gerettet werden. Hans-Joachim Giersberg, Chef der Preußischen Schlösserstiftung, hat die verschlissenen Bahnen im Depot betreut, als er 1964 nach Sanssouci kam. "Niemand hätte damals zu hoffen gewagt, dass diese Dekorationen je wieder in die für sie bestimmten Räume gelangen würden", sagte er am Vorabend der Schlosseröffnung. Dass dieses Wunder geschehen konnte, sei der Cornelsen Kulturstiftung und dem Land Brandenburg zu verdanken. Die Berliner Verlegerin Ruth Cornelsen, die sich bereits in anderen brandenburgischen und Berliner Bau- und Kunstdenkmalen engagiert und dafür soeben mit dem Denkmalschutzpreis 2001 geehrt wurde, hatte 1998 die Gewährung von 1,7 Millionen Mark für die Restaurierung der mit exotischen Vögeln und Landschaften bemalten Tapeten davon abhängig gemacht, dass sie wieder an ihren Stammplatz gelangen.

Dies wiederum zwang das Land Brandenburg, die ursprünglich bescheidenen Umbaupläne für das Paretzer Schloss zu erweitern. Die Fachhochschule Potsdam, die hier Ausbildungs- und Konferenzräume einrichten wollte, sah sich überfordert. So gelangte das Haus zur Preußischen Schlösserstiftung. Für 7,4 Millionen Mark wurden nicht nur das Dach saniert und neu eingedeckt sowie die verunstaltete Fassade in ihren Originalzustand versetzt. Gleich wichtig war die Rückgewinnung der Innenstruktur. Die ersten neun Räume können nun besichtigt werden. Die Tapeten mit exotischen Vögeln und Landschaften, der schönste Schmuck des Schlosses, wurden gereinigt, geglättet, gefestigt, vorsichtig retuschiert. Vor den farbenfreudigen Bahnen stehen klassizistische Möbel; Stiche und Aquarelle, darunter Familienbilder der Hohenzollern, fanden ihren alten Platz. Im kommenden Jahr soll die andere Schlosshälfte als Museum mit Kunsthandwerk und Mobiliar der Zeit um 1800 eingerichtet werden.

Grundlage aller Sanierungsmaßnahmen bildet neben historischen Fotos das "Paretzer Skizzenbuch". Die in der Plankammer der Schlösserstiftung zu Sanssouci verwahrte Sammlung 50 kolorierter Blätter war 1811 dem König durch Oberhofmarschall Valentin von Massow zugeeignet worden. Mit feinem Pinselstrich wurden Vorder- und Rückansichten, Querschnitte und Grundrisse des Schlosses und der Dorfkirche, von Brücken, Grotten und Türmen sowie der Wohn- und Wirtschaftsgebäude festgehalten. Die kostbare Mappe ist neuerdings als Reprint zugänglich (Deutscher Kunstverlag, 144 S. , 51 Farbtafeln und weitere Abb. , 68 DM). Wer diese Bildersammlung anschaut und jetzt nun auch das Schloss inspiziert, wird sehen, dass David Gilly seinen Auftrag bravurös erfüllte, mit bescheidenen Mitteln Großartiges, Bleibendes zu schaffen. Als Vertreter des Einfachen und Schönen hatte er einfach und schön gebaut. Das kommt der noch nicht ganz abgeschlossenen Rekonstruktion dieses Juwels klassizistischer Baukunst sehr zugute.

Helmut Caspar

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