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Kultur: Schmetterling in Not

"Jedenfalls bleibt immer die die beste Fuge, die das Publikum etwa für einen Straußschen Walzer hält, mit andern Worten, wo das künstliche Wurzelwerk wie das einer Blume überdeckt ist." So lobt Robert Schumann die Präludien und Fugen Opus 35 seines Freundes Felix Mendelssohn Bartholdy.

"Jedenfalls bleibt immer die die beste Fuge, die das Publikum etwa für einen Straußschen Walzer hält, mit andern Worten, wo das künstliche Wurzelwerk wie das einer Blume überdeckt ist." So lobt Robert Schumann die Präludien und Fugen Opus 35 seines Freundes Felix Mendelssohn Bartholdy.Die Übertragung barocker Konstruktionsprinzipien in die Klang- und Vorstellungswelt der Romantik macht den Reiz dieser Klavierstücke aus, die eher wie "Lieder ohne Worte" klingen als wie trockene kontrapunktische Studien.Spielt sie jedoch ein Michail Pletnjew, ganz Pianist der russischen Schule, so klingen sie fast wie Rachmaninow: Im ersten Präludium ließ er aus einem zart wogenden Klangmeer heraus die Mittelstimme elegisch singen, vollgriffig entfaltete er im sechsten eine fast pathetische Klangpracht.Die schnellen Fugenpartien wurden unter seinen Händen zu pianistischen Kabinettstückchen - das macht zwar großen Eindruck, scheint mir aber stilistisch verfehlt.Ähnlich näherte sich Pletnjew auch den Präludien und Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier: Er überzeichnete Tempi und Charaktere.So ließ er das D-Dur-Präludium (aus dem zweiten Band) irrwitzig schnell lospreschen, recht hart im Ton, schloß dafür die Fuge um so lyrischer an, wobei durch übertriebene Agogik die Themen, ja einzelne Motive unangemessen emotional aufgeladen wurden.

Nach der Pause schien Pletnjew stilistisch eher in seinem Element.In einer Auswahl aus Edvard Griegs Lyrischen Stücken konnte er neben prächtigen Klangentfaltungen auch feine Schattierungen zeigen; der zarte "Schmetterling" (Opus 43,1) geriet allerdings in erhebliche Turbulenzen, ja fast Stürme.Die stringente Interpretation von Robert Schumanns Symphonischen Etüden schließlich verdient größten Respekt - selten hat man Schumanns Opus 13 so brillant gehört.Auch hier versuchte Pletnjew möglichst scharfe Kontraste zu schaffen - man glaubte, ganz im Sinne Schumanns, entweder Florestan oder Eusebius zuzuhören.Und doch hätte man Michail Pletnjew an diesem Abend lieber - wie ursprünglich angekündigt - mit Chopin gehört, der seinem musikalischen Naturell so entgegenkommt.Das zeigte auch das bezaubernde Nocturne, mit dem sich der Musiker als Zugabe vom begeisterten Publikum im Kammermusiksaal verabschiedete.

GRTERGOR SCHMIDT-STEVENS

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