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Untot in der Steiermark: Laien spielen Jelinek, ohne Text.

© Ulrich Seidl Filmproduktion

„Die Kinder der Toten“ im Berlinale-Forum: Schnitzel des Grauens

Das New Yorker Künstlerpaar Kelly Copper und Pavol Liska hat Elfriede Jelineks teuflischen Zombie-Roman „Die Kinder der Toten“ verfilmt.

Die teuflischen 666 Seiten, die Elfriede Jelineks Opus magnum „Die Kinder der Toten“ umfasst, haben Kelly Copper und Pavol Liska bis heute nicht gelesen. Es liegt ja auch keine englische Fassung dieses kaum übersetzbaren Horrortrips durch die Steiermark, die Geschichte der Nazi-Verbrechen und die Geisterbahn des ewig wiederkehrenden Rechtspopulismus vor. Verfilmt hat das New Yorker Künstlerpaar den Roman trotzdem. Als Super-8-Groteske, produziert vom österreichischen Regisseur Ulrich Seidl, entstanden an Originalschauplätzen mit Tannenwald und wurschtiger Grusel-Atmo.

Wie das funktioniert? Kein Problem für Copper und Liska, die Gründer der international erfolgreichen Performance- Gruppe Nature Theatre of Oklahoma. Denn erstens ist ihre Version – bemerkenswert angesichts der Sprach-Kaskaden der Vorlage – ein Stummfilm mit Zwischentiteln. Und zweitens ist eine ihrer künstlerischen Spezialitäten die sehr eigenwillige Pflege einer besonderen Oral-History-Tradition. Für eines ihrer Projekte rief Liska dreißig Freunde an und bat sie zu rekapitulieren, was eigentlich in „Romeo und Julia“ passiert. Was zu einem kreativen Lavieren durch den Shakespeare-Plot führte („Did they really have sex?“). Nun haben die Eheleute Copper und Liska auf der Basis von mündlicher Überlieferung (und Lektüre von Wikipedia) genug Informationen über „Die Kinder der Toten“ gesammelt, um auch ohne Deutschkenntnisse eine verdichtete, aber auch pointierte und letztlich werktreue Jelinek-Adaption in der Steiermark aufzuziehen.

Zum großen Teil mit lokalen Laien gedreht

Die übrigens heißt auf Englisch Styria, was nicht weit entfernt ist von Syria, also Syrien. Die Mutter von Kelly Copper – krankheitsbedingt unter schweren Medikamenten – brachte die Weltregionen durcheinander und flehte die Tochter an, höchste Vorsicht walten zu lassen. Was ja auch für die Steiermark jelinekscher Prägung kein schlechter Rat ist. Jedenfalls spukt nun deswegen eine Gruppe entwurzelter syrischer Poeten mit gezücktem Kugelschreiber durch den Film. Die verwandelt auf ihrer verzweifelten Suche nach heimatlichem Essen die Pension Alpenrose in eine Kebab-Schmiede der langen Messer. Nur einer von vielen schönen Handlungssträngen inmitten von unheimlichen Doppelgängerinnen, suizidalen Förstern, holländischen Touristengruppen, Nazis und Blaskapellen.

Dass Jelinek als Folie für ihren wild mäandernden Untoten-Roman (Ausgangspunkt ist ein Busunfall mit zombiesken Folgen) unter anderem das B-Horror-Movie „Carnival of Souls“ herangezogen hat, war ein zusätzlicher Kick für Copper und Liska. Getreu des Mottos ihres Nature Theater of Oklahoma, das als glücksverheißende Wandergruppe „jeden nimmt“, haben sie „Die Kinder der Toten“ zu großen Teilen mit lokalen Laien gedreht. Die haben Vergnügen daran, sich Palatschinken mit Augenlöchern ins Gesicht zu klatschen und Ku-Klux-Klan in der Steiermark zu spielen. 10.2., 22 Uhr (Cinemaxx 4), 16.2., 13.30 Uhr (Cinestar 8)

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