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Kultur: Schnurrendes Rätsel

SINFONIK

Leicht sollen sie klingen, schwer sind sie zu spielen – kein Wunder, dass die Sinfonien Joseph Haydns bei Orchestermusikern nicht gerade beliebt sind. Dass sie dennoch gelegentlich in den Konzertprogrammen auftauchen, liegt vor allem daran, dass sie als Trainingseinheit gegen romantische Klangverfettung unerlässlich sind. Der Humor, der diese Musik erst lebendig macht, bleibt dabei allerdings meist auf der Strecke. Auch bei der Staatskapelle will es mit den Pointen anfangs noch nicht klappen: Die Sinfonie Nummer 96, „Le miracle", schnurrt allzu reibungslos in unverbindlicher Munterkeit ab, die Stimmkonturen verschwimmen in der Philharmonie trotz stark aufgelichteter Besetzung. Und das, obwohl mit Ivor Bolton einer der wenigen Dirigenten am Pult steht, die sich mit historischer Aufführungspraxis auskennen und gleichzeitig mit großen Orchestern umgehen können – bekannt wurde der Brite vor allem durch seine erfolgreiche Barock-Arbeit mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper.

Doch Bolton hatte sich offenbar dafür entschieden, die knappe Probenzeit auf die „Londoner" Sinfonie Nummer 104 zu verwenden: Das Spiel mit dem Klang, der geistreiche Dialog, die Überraschung angesichts unerwarteter Wendungen im prächtigen Variationssatz – all das ist nach der Pause plötzlich da, hin und wieder blitzt in den Einwürfen der Bläser sogar ein zaghafter Wille zum Witz auf. Mittendrin im Humortraining bildet Brittens Serenade für Tenor, Horn und Streicher eine Art Besinnungszone: Kehrt Haydn seine Musikerseele nach außen, sucht Britten mitten im zweiten Weltkrieg den Weg nach innen. Ignacio Garcia, Solohornist der Staatskapelle, scheint davon zwar wenig zu wissen, doch zum Glück ist da noch der Tenor John Mark Ainsley , der mit silbernen piano-Bögen eine magische Brücke in Brittens nächtliches Traumland baut. Dorthin, wo die Einsamkeit ihren Trost in der Schönheit findet.

Jörg Königsdorf

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