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SCHÖNE Grüße: Himmel voller Schwalben

Ab in die Ferien! In diesen Wochen frönen viele Menschen einer selten gewordenen analogen Tätigkeit: Sie schreiben Postkarten.

Ab in die Ferien! In diesen Wochen frönen viele Menschen einer selten gewordenen analogen Tätigkeit: Sie schreiben Postkarten. Anlass für eine kleine Sommerserie.

So lange ist es nun doch noch nicht her, dass ich hier gelebt habe – diese Ansicht stammt ja offenkundig aus der Zeit vor der Erfindung des Automobils! Schon die Piazza mit den properen Bäumchen: noch gar nicht der spätere Parkplatz, der nur einmal im Jahr wegen des Dorfheiligenfestes gesperrt wurde – und dann erst die Straße hinunter zum Bahnhof, der abseits zwischen winzigen Tuffsteintunnels lag: So nachmittagsleer liegt sie da, wie aus der Zeit sogar vor der Erfindung des Dorfbewohners!

Genau sieben Postkarten besitze ich von diesem Bauerndorf zwei Bummelzugstunden von Rom, wo wir damals die einzigen Fremden waren einige Monate lang, und diese hier ist die einzige in Schwarz-Weiß. Natürlich laufen meine Erinnerungen eher in Technicolor, tiefblauer Sommerhimmel, grüne Haselnussbaumfelder, schmutzigbeige Fassaden, die bunten Kleidchen der wochenends herumspazierenden Dorfschönen und die roten Glühlampen abends über den Holztischen der Festa dell’Unitá. Aber zur ferneren Vergangenheit gehört die Sepiafarbe, und irgendwann kommen unweigerlich jene Flimmerränder hinzu, wie man sie auf den Fotos alter Alben findet, Raschelpapier zwischen schwarzer Pappe inklusive.

Fotos, selbstgeschossene, von unserem Dorf habe ich nicht. Herumgehen mit einer Kamera hier, wo ich doch ein Bewohner unter anderen sein wollte: Das wäre das Letzte gewesen. Erinnerung war etwas für Notizen, etwas für Wörter, und nichts würde ich vergessen, und nie. So ist meine einzige verstohlene Touristenbeschäftigung wohl der Kauf jener sieben Postkarten gewesen, bei Enzo im Gemischtwarenladen, oder doch bei Antonio in der kleinsten der drei Bars an der Piazza? Schon das weißt du heute nicht mehr.

Gewohnt haben wir – jetzt wäre es an der Zeit, einen Kringel auf die Karte zu malen oder einen Pfeil – in der oberen Häuserzeile, knapp vor dem Rundturm, dessen Durchgang immer so schön kühl war. Hinterm Dachfirst der niedrigen Häuschen am Platz verlief eine Gasse, zu schmal für Autos. Am Abend saßen wir dort mit den Nachbarn auf den Häuserstufen, und ich lernte ein sehr besonderes Italienisch, laut und erdig und schön. Den ganzen Sommer auch schwirrten Schwalben durch den auf dieser Karte so leeren Himmel, und in einem Herbst, lange her, sind wir selber davongeflogen. So viel Farbe.

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