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SCHREIB Waren: Geld her!

Andreas Schäfer atmet die schneidende Luft des Kapitalismus

Kultur(menschen) und Geld – dieses Verhältnis ist so komplex, klischeebeladen, prekär und also unheimlich, da helfen nur Anekdoten. Anekdote eins: Seit einigen Jahren schon traf man einen sehr geschätzten Kollegen regelmäßig bei Kulturveranstaltungen etwas missmutig an. Nee, sagte der Kollege schließlich, er habe keine Lust mehr auf diesen Kulturbetrieb. Inzestuöse Welt, niedriges Kunstniveau, immer über den uninspirierten Kram spätpubertärer Künstler, Schriftsteller, Regisseure und Performance-Kuratoren schreiben. Er fühle sich schon wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Total unwirklich, das Ganze. Deshalb, sagte der miss mutige Kulturmensch, werde er bald ins Wirtschaftsressort wechseln, um echt reale Artikel über real fließendes und erwirtschaftetes Geld von echten Unternehmern zu schreiben. Endlich frische, schneidige Luft der freien Marktwirtschaft atmen, rief der Kollege. Nicht mehr diesen abgestandenen Subventionsdunst, der einem die Lunge verklebt!

Wir bedauerten die Entscheidung sehr, denn der Kollege schrieb die brillantesten Texte über den mittelmäßigsten Kunstkram. Eine Weile war der Kollege auf keiner Veranstaltung mehr zu sehen, doch neulich trafen wir ihn wieder. Er war bestens gelaunt, schwärmte von einem Klavierkonzert eines jungen Pianisten aus Aserbaidschan und stimmte ein Loblied auf die reiche Berliner Kulturlandschaft an. Außerdem gehe er sogar wieder ins Theater, besonders in diese dokumentarischen Inszenierungen, bei denen die Regisseure Laien, also reale Menschen auf die Bretter schickten. Echte Menschen, rief der Kollege, denen im geschützten Raum der Kunst echte Zeit eingeräumt wird, um von ihrem Leben zu berichten. Wo gibt es denn so viel Geduld, so viel Aufmerksamkeit, so viel Wirklichkeit sonst noch? Gerade jetzt? Das sei doch wunderbar! Vor lauter Freude, den Kollegen nicht an die Wirtschaft verloren zu haben, fragten wir nicht, was aus seinen Plänen geworden war.

Anekdote zwei: Einige Kulturmenschen standen in der Pause einer Kreuzberger Kulturveranstaltung zusammen, unterhielten sich über dies und das, als einer plötzlich sagte: Also, ich habe an der Krise Geld verdient. Hab auf fallende Kurse gesetzt. Dabei leuchteten die Augen des Kulturmenschen wie die eines stolzen Jungen, der erfolgreich bei einem Spiel mitgemacht hat, das eigentlich nur für Erwachsene bestimmt ist. Kurz herrschte betretenes Schweigen. Neid, Befremden, Hochachtung, alles mit Händen zu greifen. Bei mir reicht’s gerade mal bis zum Tagesgeldkonto, sagte der Zweite. Was ist denn ein Tagesgeldkonto, fragte der Dritte.

Die Literaturveranstaltung der Woche heißt übrigens Geld regiert die Welt! – Doch wer regiert das Geld? Untertitel: „Wider den ökonomischen Analphabetismus“. Margrit Kennedy, Architektin, Ökologin und Spezialistin auf dem Gebiet der Alternativwährung, hält den Vortrag am morgigen Mittwoch, 14. 1., im HAU 2 (Hallesches Ufer 32, 20 Uhr). Danach spricht sie mit dem Kulturwissenschaftler Stefan Heidenreich, der vor kurzem im Merve Verlag den Band „Mehr Geld!“ herausgebracht hat. Die „FAS“ schrieb über das Büchlein begeistert: „Kein linker Bruder kann mehr erwarten.“

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