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SCHREIB Waren: Höllenhunde, wollt ihr ewig leben?

Wie geht der Spruch? Die Neurose kennt keine Zeit.

Wie geht der Spruch? Die Neurose kennt keine Zeit. Für den Traumatisierten herrscht permanente Gegenwart. Wie in dem Roman „Das Fenster“ des Österreichers Richard Obermayr. Ein verstörter Ich-Erzähler erinnert sich an den Sommer, in dem sich seine Mutter umgebracht hat. Oder vielleicht auch nicht? In seinem zweiten Roman treibt Obermayr ein faszinierendes, weil doppeltes Spiel mit der Zeit. In immer neuen, mitunter redundanten Schleifen umkreist die Fantasie ein Ereignis, das so einschneidend ist, dass es nicht direkt benannt werden kann. Die Langsamkeit des Erzählens ist aber nicht nur Ausdruck eines hilflosen Bewusstseins, sondern möglicherweise seine Rettung. Denn wenn der Erzähler es mit seiner Erzählkunst schafft, die Zeit vor dem Ereignis einzufrieren – findet es dann überhaupt noch statt? Der Preis für diesen Trick ist hoch. Man stolpert durch die entwirklichte Welt wie durch einen falschen Film. Am Freitag, den 2. Juli, liest Richard Obermayr um 20 Uhr im Literaturhaus (Fasanenstraße 23).

„Ich stellte mir vor, ich wäre der Hundesitter der Unterwelt, und Persephone hätte mich rufen lassen, damit ich den Zerberus spazieren führe. Wie sieht der dreiköpfige Wachhund des Hades aus? Wohin mit ihm Gassi gehen?“ Das fragt sich der Dichter, Romancier und Essayist Mirko Bonné und liefert die Antwort gleich mit. Durch die ganze Welt! Es geht nach Südamerika und in die Antarktis. Nach New York und Amsterdam. Und mit Georg Trakl nach Tirol. Die Kritiker sind begeistert von der schwebenden Weise, in der Bonné in seinem neuen Prosaband die Reisereportage fiktionalisiert und in Bemerkungen zu Architektur, Musik oder Politik die Entstehungsgeschichte von Gedichten einzuflechten vermag. Morgen, am 30. Juni, stellt Mirko Bonné um 20 Uhr das Buch vor, ebenfalls im Literaturhaus.

Einem bizarren Siedlungsprogramm ist es zu verdanken, dass sich die ursprünglich aus Posen stammende Familie von Anna Tüne nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerechnet in einem französischen Dorf niederließ. Deutsche Vertriebene in einer Gegend, in der vor kurzem noch die deutschen Besatzer wüteten. In „Von der Wiederherstellung des Glücks – Eine deutsche Kindheit in Frankreich“ erzählt Anna Tüne unter anderem von der Widersprüchlichkeit, mit der die Dorfbevölkerung der deutschen Familie begegnete: So schlug die tiefe Abneigung der Gemeinde in Ergriffenheit um, als sie die Mutter der Erzählerin beim ersten Kirchgang singen hörte. Anna Tüne, Kulturmanagerin und Vorsitzende des Vereins „Courage gegen Fremdenhass“, liest am Sonntag, den 4. Juli, um 11.30 Uhr im Saalbau Neukölln (Karl-Marx- Straße 141).

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