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Handschriftliches Dokument.

© dpa

Schreibschrift vs. Druckschrift: Ich ist ein Schnörkel

Pisa-Nation Finnland will der Schreibschrift an den Kragen. Und auch wenn damit theoretisch die Handschrift bliebe, würden so doch die Schlenker und Schnörkel fehlen, die sie erst zu unserer eigenen machen.

Hand aufs Herz: Manchmal werden Protestnoten verfasst, ohne dass es einen besorgniserregenden Anlass gäbe. Bei der Schreibschrift zum Beispiel. Seit bekannt wurde, dass die Pisa-Nation Finnland sie in der Schule abschaffen will , werden eifrig Allianzen für deren Beibehaltung geschmiedet. Gerade hat Bildungsministerin Johanna Wanka es wieder gesagt: Die Schreibschrift soll bleiben, weil „bewusster schreibt“, wer von Hand schreibt. Und weil sie ungemein übt, die Feinmotorik, die Synapsen, das Denken.

Wie gesagt: Niemand hat hierzulande die Absicht, die Handschrift zu Grabe zu tragen. Die Mehrheit der Bevölkerung hält ihr die Treue, auch wenn Noten für Schönschrift passé sind und Geburtstagswünsche einen heute oft per Mail oder SMS erreichen. Klar, die Menge des Handgeschriebenen hat sich reduziert, ist eh meistens Druckschrift. Wobei die Wissenschaft längst klargestellt hat, dass Druck- und Schnürli-Schrift, wie der Schweizer sagt, nicht streng voneinander zu trennen sind. Viele schreiben nur noch Einkaufszettel von Hand, ab und zu ein Post-it.

Das nicht getippte Wort wird zur Rarität – was dessen Aura nur stärkt. Wer verzichtet schon auf seinen individuellen Schlenker bei der Unterschrift? Wird die Rede von der unverwechselbaren Handschrift eines Künstlers, eines Politikers je aussterben? Und welcher Archivar weint nicht darüber, dass die Nachlässe berühmter Schriftsteller immer weniger Manuskripte enthalten und immer mehr vergänglichen Datensalat?

Selbst Tarantino verfasst seine Drehbücher mit der Hand

Der durchdigitalisierte Mensch beschwört seine Graswurzel-, sprich Federkiel-Herkunft und staunt über jene Autoren, die allen Computer-Rechtschreibprogrammen zum Trotz ihre Romane weiter von Hand verfassen. Der Bleistift-Poet Peter Handke. Der New Yorker Schriftsteller Paul Auster. Seine US-Kollegin Joyce Carol Oates. Bestsellerautorin Joanne K. Rowling verkaufte ein handgeschriebenes Märchenbuch für 2,75 Millionen Euro, selbst der coole Quentin Tarantino verfasst seine Drehbücher mit Stift und Papier. Schreiben ist ein Ritual, sagt er.

Ein Heft im Laden kaufen, nicht zehn auf einmal, sondern nur eins, dazu rote und schwarze Stifte, los geht’s. Tarantino ist der Weltmeister des virtuosen Zitierens, ein Nachfahre jener mittelalterlichen Mönche, die in schweren Folianten andere schwere Folianten abschrieben. Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Tage, Wochen, Jahre lang. Wer von Hand schreibt, erfasst die Welt. Und die Tarantino-Fans träumen nicht nur von Selfies mit dem Regisseur, sondern auch vom Autogramm aus der Hand ihres Idols.

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