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Kultur: Schüttel die Hüften, Baby Berliner Prater: Tanzstück von Constanza Macras

Über Heimat und Fremde lässt sich viel erzählen. Deshalb hat Constanza Macras ihre Untersuchungen über kulturelle Identität gleich auf zwei Abende verteilt und mit zwei unterschiedlichen Besetzungen inszeniert.

Von Sandra Luzina

Über Heimat und Fremde lässt sich viel erzählen. Deshalb hat Constanza Macras ihre Untersuchungen über kulturelle Identität gleich auf zwei Abende verteilt und mit zwei unterschiedlichen Besetzungen inszeniert. Im zweiten Teil von „I’m Not The Only One“ im Berliner Prater läuft die Choreografin aus Buenos Aires, die als junge Berliner Wilde international gefeiert wird, zur Hochform auf. Es ist ein sehr tänzerischer Abend geworden – die Akteure ihres multinationalen Ensembles pumpen so viel Energie und Emotion auf die Bühne, dass einem ganz schwindelig wird. Den clash of cultures tragen sie ganz handgreiflich aus. Wenn eine Koreanerin auf einen Israeli trifft, ein Palästinenser sich einmischt und auch noch eine Latina dazwischenfunkt – dann entstehen Crashtests von aggressiver Komik. Macras sucht immer die Konfrontation – und das ist ehrlicher als jeder Migranten-Ringelreigen.

Ihre unkaputtbaren Tänzer schonen sich nicht, sie zeigen ein modernes Babel und sind für jeden Zusammenprall, für jede offensive Selbstbehauptung gerüstet. Das führt auch musikalisch zu umwerfender Komik, etwa beim ruppigen Sängerwettstreit, wo erst alle ein hebräisches Lied üben und dann Hyoung-Min Kim die anderen mit ihrem Asia-Pop niederschreit. Die furiosen Soli umkreisen das Thema Selbstentfremdung. Sie zeigen, wie es sich in einer fremden Haut anfühlt, in einem Körper, der sich auf unheimliche Art verändert. Zu bestaunen sind groteske Metamorphosen. Die in einer Glasvitrine eingesperrte Hyoung-Min Kim mutiert zur zuckenden Fliege, die alsbald ihren Kamikaze-Flug beginnt.

Die Schönheitskönigin Gail Sharoll Skrela verwandelt sich in einen gierigen Greifvogel. Wenn die Mexikanerin Yeri Anarika Vargas Sanchez, die eben noch als Angehörige einer Putzkolonne den Boden schrubbte, zur rachedürstenden Inka-Prinzessin wird und dabei die goldgeschmückten Hüften kreisen lässt à la Shakira, dann sieht das nicht bloß trashig aus. Es ist wirklich böse, wie Heimatgefühle hier als billige Folklore entlarvt werden. Constanza Macras ist ein sehr persönliches Stück gelungen, das seine Kraft aus den autobiografischen Erfahrungen der Tänzer schöpft. Das schönste Bild: Die sehnsüchtige Latina, die es in den kalten Norden verschlagen hat, streift sich ein Elchgeweih über. Sie sind tieftraurig und verzweifelt komisch, diese Geschichten von Fremden.

Wieder am Mittwoch, 20 Uhr.

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