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Kultur: Schwarze Kunst

Milos Forman beschwört in „Goyas Geister“ die Schrecken der Inquisition

Eine gespenstische Szene: Die hübsche Inés (Natalie Portman) ist in die Fänge der Inquisition geraten, ist gefoltert und eingekerkert worden und erwartet ihr Todesurteil. Und der, der für all das verantwortlich ist, der finstere Mönch Lorenzo (Javier Bardem), sitzt gepflegt bei ihren Eltern zu Tisch und diskutiert über Wahrheit und Lüge von Geständnissen, die durch die Folter erpresst worden sind.

Es sind finstere Zeiten in Spanien. Die Inquisition wütet, und selbst ein bei Hofe hoch angesehener Maler wie Francisco Goya (Stellan Skarsgard) wagt nicht, offen zu protestieren. Er taktiert, dieser Goya, porträtiert die Mächtigen und die Leute auf der Straße gleichermaßen realistisch, dokumentiert die Gräuel und zieht sich doch immer auf die Aussage zurück: Ich bin nur ein Künstler. Also einer, der beobachtet, aber nicht handelt, der die Wirklichkeit ungeschönt wiedergibt, aber nicht verändert. Und doch: Heißt dokumentieren nicht auch handeln? Sind Bilder keine Waffen, wenn sie in die falschen Hände geraten? Doch Goya hält sich raus. Dass ihn sein Schweigen etwas kostet – aus dem Film erfährt man es nicht. Denn Goya ist nicht die Hauptfigur.

Das ist einerseits gut, denn Goya-Biopics gibt es auch zuhauf, und die Geschichte des ertaubenden und schließlich nach Frankreich ins Exil fliehenden Hofkünstlers kennt man gut. Nein, es ist die Zeit, die Forman interessiert. Jene finstere Zeit, in der die Henker mit ihren Opfern zu Tisch sitzen oder sie kurz mal vergewaltigen. Forman interessieren Charaktere, die solche charakterverbiegenden Zeiten überstehen: Wendehälse, Anpasser und Machtmenschen. Pater Lorenzo ist so ein Mensch, der der Inquisition dient und sie dann verrät, nach Frankreich flieht und als Napoleons Minister zurückkehrt. Ein Idealist, auf seine Art, einer, der sich selbst immer davon überzeugen kann, dass er der richtigen Sache dient. Solche sind die Gefährlichsten. Der Tscheche Forman, der seinen Teil an verbrecherischer Weltgeschichte erfahren hat, weiß, wovon er spricht.

Und doch verrät er dieses Thema an das große Historienbild. An die opulente Inszenierung, die grausame Folterszenen genüsslich zeigt und nicht genug bekommen kann von Gequälten, Eingekerkerten, Verhungerten, Verwirrten. Endlos fährt die Kamera die Gänge ab, zeigt nackte, geschundene Körper, und erreicht doch keinen Schrecken. Jedes einzelne Bild von Goya ist wirkungsvoller.

Delphi, Filmtheater am Friedrichshain, International, Kulturbrauerei, Yorck, Cinestar im Sony-Center (OV), Neues Off (Spanisch mit deutschen Untertiteln)

Christina Tilmann

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