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Kultur: Schwestern, zur Sonne!

Eine Ausstellung in der Kunststiftung Poll präsentiert das Rollenbild der Frau in der DDR.

Das Beeskower Kunstarchiv hat ein temporäres Schaufenster in Berlin erhalten, rund drei Jahre, bevor das Berliner Schloss Biesdorf saniert sein und das Archiv dort eine permanente Dependance erhalten soll: Aktuell zeigt die Kunststiftung Poll mehr als 30 Gemälde und Grafiken zum Bild der Frau in der DDR, eine kleine Auswahl aus dem Beeskower Depot mit Kunst aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die in der DDR angekauft, beauftragt oder in Häusern der Parteien und Massenorganisationen ausgestellt wurde.

Kuratiert hat die Schau die Kunsthistorikerin Claudia Jansen, die an der Düsseldorfer Universität zum Arbeiterbild in der DDR promoviert und noch bis Juli in Beeskow arbeitet. „Role Models!“ hat sie die Schau halb ironisch, halb ernst genannt. Selbst- und Fremdbilder von Frauen in der DDR stellt sie in drei Kapiteln vor, zu Körper, Mythologie und Arbeit. Gleich der erste Blick in die Poll’schen Stiftungsräume verblüfft: Es geht offensichtlich auch um den Mann. So markieren auf Arno Mohrs Lithografie „Halbstarke“ (1959) zwei Kerle mit hochgeschobenen Ärmeln die dicken Maxe. Breitbeinig schauen sie zwei zart gestrichelten Pettycoat-Trägerinnen hinterher.

Rund 30 Jahre später scheint der Mann in Erklärungsnot geraten zu sein. Hans Aichingers „Sitzender“ in Öl (1986) hockt geduckt auf einem Stuhl und argumentiert hin und her – mit einer zur Faust geballten Rechten und einer offen ausgestreckten Linken.

Rund 90 Prozent der Beeskower Bestände seien von Männern geschaffen, sagt Jansen, daher deren geballte Anwesenheit in der Ausstellung. Auch im Kapitel Arbeit, in dem es um berufstätige Frauen geht, bleiben die Männer sehr präsent. Selbstverständlich geht es hier um die sozialistische Idealfrau, die in der Industrie ihren Mann steht wie Karl-Heinz Kummers große kühle Blonde von 1960 im Tagebau. Doch Jansen hat auch ganz andere Bildnisse gefunden, etwa Jost A. Brauns „Porträt Ramona Gailus“ von 1985, von einer Werktätigen in gelber Warnweste, die zwar wachen Blicks, aber blass und geschafft Kaffeepause macht.

Um die sechziger Jahre mit den Achtzigern, Aufbaupathos mit Desillusionierung vergleichen zu können, ist die Auswahl jedoch zu klein. „Role Models!“ präsentiert keine großen Linien, sondern übt im Sehen. Jansen plädiert für eine ikonografische Betrachtung von Kunst aus der DDR: Statt von der Gesellschaft auf die Kunst will sie von den Bildern auf die Gesellschaft schließen.

Doch ob das mit den Beeskower Beständen allein gelingen kann, bleibt höchst fraglich. Nichts fällt hier aus dem Rahmen, noch nicht einmal Angela Hampels Hommage an die Amazonenkönigin Penthesilea. Alles bleibt artig im Format von Leinwand und Papier, ganz anders als in den crossmedialen Ausstellungen „Und jetzt!“ 2009 in Berlin und „Entdeckt!“ 2011 in Mannheim, mit widerständigen Filmen, Fotos, Texten und Performance-Dokus aus den achtziger Jahren, von Künstlerinnen wie Tina Bara, Annemirl Bauer, Gabriele Stötzer oder Gundula Schulze Eldowy. So wird „Role Models!“ unfreiwillig zu einem Argument dafür, nicht nur ikonografisch mit Beeskower Bestand zu arbeiten, sondern auch Vergleiche zu erlauben, wenn Bilder Rückschluss auf eine Gesellschaft geben sollen.Claudia Wahjudi

Kunststiftung Poll, Gipsstraße 3, Mitte. Bis 31. Juli, Di–Sa 15–18 Uhr

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