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SEHEN: Ich will ein besseres Leben!

Wie lockt man eigentlich – mitten in den wohlverdienten Theaterferien und zur Abwechslung endlich auch mal bei angemessen sommerlichen Temperaturen – Menschen ins Theater? Betrachtet man die Bühnenseiten einschlägiger Stadtmagazine, fällt zwar durchaus eine saisonale Ausdünnung auf, aber mitnichten dramatischer Kahlschlag: Inzwischen spielen viele freie Theater wacker weiter, während die großen Häuser Urlaub machen.

Wie lockt man eigentlich – mitten in den wohlverdienten Theaterferien und zur Abwechslung endlich auch mal bei angemessen sommerlichen Temperaturen – Menschen ins Theater? Betrachtet man die Bühnenseiten einschlägiger Stadtmagazine, fällt zwar durchaus eine saisonale Ausdünnung auf, aber mitnichten dramatischer Kahlschlag: Inzwischen spielen viele freie Theater wacker weiter, während die großen Häuser Urlaub machen.

Nicht ganz risikofrei, könnte man meinen: Mit Hochkulturthemen – Krise, Schuld, Verantwortung, Gesellschaft, Identität etc. – möchte man sich ja vielleicht nicht unbedingt auch noch den wohlig sonnenerweichten Kopf zermartern. Was bieten die darstellenden Künste also dann? Die erste Strategie liegt nahe: Open-Air-Theater. Inzwischen dürfte es schwer sein, in Berlin noch irgendeinen Park zu finden, der nicht temporär bespielt wird.

Die jüngste Open-Air-Premiere: „Amphitryons Albtraum“ (bis einschließlich Samstag, 20 Uhr) im Pfefferberg, eine Produktion der Comedy-Brothers Woesner. Die beiden Schauspieler, die das Kiezpublikum im Prenzlauer Berg seit Jahren mit trashigen Klassikerversionen erheitern, nehmen sich diesmal die Story um die rechtschaffene Feldherrengattin Alkmene vor, der eines Nachts der Gott Jupiter in Gestalt ihres Gemahls Amphitryon erscheint und die also quasi ahnungslos zur Seitenspringerin wird. Dass es in der versprochenermaßen „dramaturgisch radikalen, tempo- und sehr pointenreichen“ Fassung der Woesners zu ähnlich tiefen Identitätskrisen kommt wie etwa in Heinrich von Kleists Version des Stoffes, steht – von wegen sonnenerweichter Kopf! – absolut nicht zu befürchten.

Die zweite, auch nicht direkt fern liegende Sommertheaterstrategie: Man nimmt sich gar keinen Klassiker, sondern verhindert intellektuelle Überanstrengung von vornherein durch einen beherzten Direktgriff ins gegenwärtige (US-amerikanische) Unterhaltungsleben: Die Regisseurin Beatrice Murmann ist im Stadtbad Steglitz mit ihrer Inszenierung „Pizzaman“ zu Gast (11. & 12. Juli, 20 Uhr), in der zwei Klischeefrauen – die eine „Dauer-Single“, die andere „Langzeit-Geliebte“ – in ihrer WG „von einem besseren Leben mit Karriere, Traummann, Kindern und Idealgewicht“ träumen. Und diese Sehnsüchte am titelgebenden Fastfood-Lieferanten, einem Kriegsveteranen, gefährlich ausagieren.

Besonders wagemutige Sommertheaterspieler allerdings nehmen – dritte Strategie – tatsächlich gar keine saisonalen Rücksichten und tun einfach das, was sie den Rest des Jahres auch machen. Das Berliner Kriminaltheater zum Beispiel zeigt unbeirrt seinen Agatha-Christie- Klassiker „Tod auf dem Nil“ (12. Juli, 20 Uhr): An Bord eines Flussdampfes befindet sich nicht nur das Flitterwöchnerpaar Simon und Linnet Doyle, sondern auch Simons Ex-Geliebte. Dass die sommerlich erweichten grauen Zellen sich hier wahrscheinlich in leichter detektivischer Mithilfemission anstrengen müssen, wird hoffentlich durch gebotene Genre- Spannung kompensiert!

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