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Kultur: Sein Wille geschehe

"Gold!" Auf einen Schlag ist die Erschöpfung vergessen.

Von Susanna Nieder

"Gold!" Auf einen Schlag ist die Erschöpfung vergessen. "Gold!" Gierig stürzen sich alle auf die Stelle, wo der Schatz gefunden wurde. Wie Termiten wimmeln die Menschen über dem Fundort, hackend, zur Not mit bloßen Fingern kratzend. Gold macht aus armen Schluckern mächtige Leute. Mit Gold kann man Ansehen kaufen, Schönheit, Respekt. Für Gold würden manche Männer Frau und Kind verschachern.

Der Goldrausch in Nordkalifornien begann 1848, im Jahr darauf kamen die Forty-Niners, von denen einige gemachte Männer wurden. Daniel Dillon (Peter Mullan) ist so einer. 1867 regiert er die Stadt, die er auf seiner Parzelle in den Schneefeldern der Sierra Nevada errichtet hat, wie ein absoluter Herrscher. Waffen sind am Ortseingang abzuliefern; wer sich etwas zu Schulden kommen lässt, wird von Dillon persönlich ausgepeitscht. "Kingdom Come" heißt der Ort - das Paradies, der Himmel auf Erden.

"Das Reich und die Herrlichkeit" erzählt die Tragödie von Dillon, der an die Grenzen seiner Gottähnlichkeit stößt. Der Film erzählt auch, wie sehr Männer sich verrennen und wie viel Frauen ihnen verzeihen; er erzählt, wie ein Mann von der Vergangenheit eingeholt und von der Zukunft abgeschnitten werden kann. Die Geschichte beginnt mit einer dreifachen Ankunft an diesem Ende der Welt. Eine Kutsche bringt eine Ladung frischer Mädchen fürs Bordell - und Elena (Nastassja Kinski) mit ihrer Tochter Hope (Sarah Polley). Gleichzeitig taucht der Vermessungstrupp der Eisenbahn auf, angeführt von Dalglish (Wes Bentley). Diese Neuankömmlinge werden das Gefüge in Kingdom Come gehörig durcheinander bringen.

Zum zweiten Mal nach "Jude" ("Herzen in Aufruhr", 1996) nimmt sich der Brite Michael Winterbottom einen Roman des englischen Schriftstellers Thomas Hardy vor. "Das Reich und die Herrlichkeit" gründet auf "The Mayor of Casterbridge" (1886), wobei Drehbuchautor Frank Cottrell Boyce die Handlung von Südengland nach Amerika verlegt hat. Der Film ist eine Hommage an die Vitalität der Pioniere aus aller Herren Länder. Die fünf Hauptfiguren, herausragend gespielt (wie auch die übrigen Rollen), verkörpern diese Kraft auf ihre Weise: Hope mit wortkarger Zähigkeit, Dalglish mit der ungebrochenen Kraft der Jugend, Dillons Geliebte Lucia (Milla Jovovich) mit viel Temperament, Dillon mit patriarchalischer Härte - und Elena mit der gebrochenen Kraft, die unaufhaltsam versickert.

In "Butterfly Kiss" (1995), "Jude" (1996) und "I Want You" (1998) verwandelte Winterbottom die inneren Konflikte seiner Figuren in überlebensgroße Bilder. Nach den schwächeren "Welcome to Sarajewo" (1997) und "With or Without You" (1999) flocht er in "Wonderland" (1999) kleine Londoner Lebensläufe liebevoll ineinander. In "Das Reich und die Herrlichkeit" nun verbindet er individuelle Innenwelten mit einer gigantischen, menschenleeren Außenwelt. Alwin Küchler (Kamera) findet dafür Bilder von großer Schönheit: Er geht so nah an das Gesicht der schlafenden Hope, bis eine Landschaft daraus wird, gibt der sterbenden Elena Dämmerlicht, der vitalen Lucia satt gelbes, und Dalglish, der mit der Eisenbahn das Tor zur Welt aufstößt, helles Tageslicht.

Es ist das uramerikanische gemeinsame Streben nach persönlichem Glück, das der Brite Winterbottom hier vorführt. Der Originaltitel heißt einfach "The Claim", was "Parzelle" oder "Anspruch" bedeutet. Am Ende, als das Leben der Älteren verglüht ist, trennen sich die Wege der Jüngeren. Die einen ziehen weiter. Die anderen gründen eine neue Stadt. Und die dritten, unbelehrt, stürzen sich aufs Gold.

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