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Kultur: Selig sind die Fingerfertigen

KLAVIERABEND

In den Achtzigerjahren galt sie als Mozart-Expertin. Dass Mitsuko Uchida längst tief in andere Archipele der Klavierliteratur eingedrungen ist, stellte die Japanerin im Kammermusiksaal der Philharmonie unter Beweis. Den Amadeus zur Eröffnung lässt sie sich freilich nicht nehmen. Uchida schmiegt sich ganz in den weichen Trauerflor seines D-Dur-Rondos, kostet Phrasen aus, lässt die Pausen fühlen – das frappiert, wenn man ihre zwanzig Jahre alte, vergleichsweise rasche Einspielung kennt. Dann, als hätte sie kurz in eine Steckdose gefasst, springt Mitsuko Uchida mit Energie ins weit gespannte Zwölftongewebe der Variationen op. 27 von Anton Webern. Gleichwohl gehört der Abend Ludwig van Beethoven. Hier beeindruckt Uchida tief, sie macht plausibel, dass die 1822 veröffentlichte As-Dur Sonate op. 110 nicht zu Unrecht als Dankgesang eines von Gelbsucht und rheumatischem Fieber genesenen Komponisten aufgefasst wird. Schon im ersten Satz schickt Uchida im „oberen Register“ Gebete zum Himmel, bevor sich im Allegro molto grollende Stimmen einmischen. Schlichtweg grandios, tief bewegend bewältigt Mitsuko Uchida das auf modernen Klavieren äußerst schwer zu spielende, beinahe gesungene Adagio, aus dem choralartig eine Fuge emporsteigt: Klage und Überwindung.

Was kann danach kommen? Dass die mit viel Gespür für Klangfarbendramaturgie gestaltete Schubert-Sonate G-Dur op. 78 etwas ins Hintertreffen gerät, ist eine Frage des Programms. Auch malt die Pianistin zarte Stellen im ersten Satz ein wenig zu pastos aus. Zur Abrundung eines starken Abends jedoch taugt Uchidas feingetüpfeltes Allegretto- Aquarell.

Jens Hinrichsen

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