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Kultur: Sex, Lieben und Video

GENERATION 14PLUS erzählt aufregend vom Erwachsenwerden.

Jahr für Jahr zieht die Sektion Generation 14plus ein Stammpublikum an, das weit über die eigentliche Zielgruppe der Jugendlichen hinausgeht. Im Haus der Kulturen der Welt im Tiergarten, abseits des Haupttrubels gelegen und doch zu Fuß vom Potsdamer Platz erreichbar, bildet es so etwas wie eine eigene, etwas entspanntere Miniberlinale. Mit vier Euro sind die Eintrittskarten die günstigsten des gesamten Festivals, die Ticketlage ist meist deutlich weniger angespannt als an den anderen Spielorten, und der Kinosaal ist mit über tausend Plätzen immerhin der drittgrößte hinter Berlinale – und Friedrichstadt-Palast. Aber das Wichtigste spielt sich natürlich auch hier auf der Leinwand ab.

Es gehört zur Philosophie der Reihe, dass die ausgewählten Filme nicht unbedingt für Jugendliche gemacht sein müssen, sondern dass sie für Jugendliche interessant sind. Das bringt bisweilen Diskussionen mit sich, wenn Filme beispielsweise für den Geschmack mancher Eltern zu explizit mit Themen wie Drogenkonsum oder erstem Sex umgehen. Der didaktische Gestus, den Jugendfilme oftmals aufweisen, wird von der Sektionsleiterin Maryanne Redpath und ihrem Auswahlgremium bewusst gemieden. Jugendliche Zuschauer mögen 14plus, weil sie sich durch die Filmauswahl ernst genommen fühlen. Und erwachsene Zuschauer schätzen die Reihe, weil sie gewissermaßen aufwärtskompatible Filme zeigt.

Das Heranwachsen, von dem alle Filme auf die eine oder andere Weise handeln, ist eine Erfahrung, die alle Menschen durchmachen. Aber je nach Familie, Land oder Kultur, kann es völlig unterschiedlich verlaufen. Die Bandbreite wird abgesteckt durch den Film Pluto, der in den alltäglichen Horror einer hyperkompetitiven südkoreanischen High School einführt, und den Eröffnungsfilm Jîn, in dem sich die junge Titelheldin von ihrer Rebellengruppe absetzt um sich durch die eindrucksvolle Landschaft Kurdistans zu ihrer Großmutter durchzuschlagen. Seelenverwandte findet sie in den Protagonisten der US-amerikanischen Beiträge „Hide Your Smiling Faces“ und „The Cold Lands“, die sich wie Jîn in die Wildnis zurückziehen.

Es sind adoleszente Ausbruchsfantasien aus einer als unberechenbar empfundenen Welt. Doch es müssen nicht immer Berge und Wälder sein, die Zuflucht vor der Gesellschaft und ihren Zwängen bieten. Der neuseeländische Teenager Willy in „Shopping“ flieht vor der Gewalt seines Vaters ausgerechnet zu einer Bande von Kriminellen, die nicht minder gewalttätig sind. Und Natalia aus dem polnischen Beitrag „Baby Blues“ flieht vor ihrer Verantwortung als junge Mutter ins Partyleben.

Überforderung, so viel wird klar, gehört überall auf der Welt zum Erwachsenwerden dazu. Sie geht einher mit dem Abschied von der relativ verantwortungsfreien Sphäre der Kindheit. Dass diese Kindheit in Form von Machtlosigkeit auch eine gravierende Kehrseite hat, daran erinnert „Princesas Rojas“, der beste Film der Reihe. Er handelt von den Schwestern Claudia und Antonia, deren Eltern, politische Aktivisten, mit ihnen von Nicaragua nach Costa Rica fliehen. Doch auch dort ist ihr Leben von Ungewissheit und plötzlichen Aufbrüchen geprägt. Auf Augenhöhe mit ihren beiden chronisch unterinformierten Protagonistinnen entwirft die Regisseurin Laura Astorga Carrera ein so präzises wie bewegendes Porträt einer Geschwisterbeziehung und dürfte eine heiße Anwärterin auf den sektionsübergreifenden „First Feature Award“ für den besten Debütfilm sein. Und so wirft 14plus auch ein Licht auf die „große“ Berlinale: Es muss ein bärenstarker Wettbewerbsjahrgang sein, der auf einen Film wie diesen verzichten kann. David Assmann

Kleiner Unterschied:

Nicht für Jugendliche gemacht, aber interessant für sie

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