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Kultur: Show der Püppchen

Konrad Hoffmeisters fotografisches Vermächtnis

„Ich habe alles schon fotografiert", hieß es bei Konrad Hoffmeister, wenn man den über Siebzigjährigen nach seinen Projekten fragte. Doch der Autor des Fotobuches „Ansichten zu Deutschland", das 1995 große Aufmerksamkeit erregt hatte, hörte keineswegs zu arbeiten auf. Kunstvoll arrangierte er Barbiepuppen, Ritterfiguren, böse Drachen und sonstiges Plastikspielzeug aus dem Kinderladen zu akribisch ausgeleuchteten, allegorischen Szenen, auf denen falsche Goldmünzen glänzen, Symbole für das Talmi der Zeit.

Kein Computer durfte die Handarbeit ersetzen, erlaubt waren nur Fotomontagen im Stil eins John Heartfield. Eine von diesen drei schwarzweißen Arbeiten inmitten grellbunter Originalprints zeigt das Foto einer Gruppe Arbeiter, die zur Schicht antreten, während in der unteren Bildhälfte Schneewittchen ein Schar Ritter in die Schlacht um das Geld führt. Im Hintergrund glänzt ein Totenschädel.

Der Tod ist in diesen surrealen Bildwelten ein Dauermotiv, zum Beispiel in der bitterbösen Installation „Ein Sohn ist uns geboren“, wo ein strahlender Jüngling einen schon als Gerippe geborenen Messias auseinander reißt, während die auf dem Boden liegende Maria dazu fröhlich Trompete bläst. In einer zweiten Paraphrase auf die Weihnachtsbotschaft unter dem lakonischen Titel „Maria mit dem Sohn“ hält Maria s ein kleines Totengerippe im Arm, das mit einer MP auf die Welt gekommen zu sein scheint. In einer dritten Variante stopfen Puppeneltern (das heilige Paar?) ihr Baby in den Rachen eines Ungeheuers, unter dem sich Geldstücke häufen.

Hoffmeisters mit bewundernswerter Geduld geschaffene Fotoinstallationen sind voller Spott und Hohn über die schöne neue Welt, in der allein Karriere und Geld zählen. „Ganz oben angekommen“ zeigt sich da ein Ritter auf einem Thron, den zwei blonde Mädchen stützen. Der Griff zu den lächerlichen Spielfiguren ermöglicht dem Fotografen Polemik, die er mit rein fotografischen Mitteln nicht mehr antreten wollte oder konnte. Diese Ausstellung ist das Verrückteste, was Berlins Fotogalerien zurzeit im Angebot haben.

Auf einem Blatt schaut der Fotograf selbst, grau und desillusioniert, unter einem wilden Haufen angezogener und nackter Püppchen den Betrachter an, fast schon vom Müll verschüttet, aber – wie diese Ausstellung aus dem Nachlass ein Jahr nach Hoffmeisters Tod beweist – noch lange kein Vergessener. Hans-Jörg Rother

Galerie argus fotokunst, Marienstr. 26, bis 28. Juni, Di.-Sa. 14–18 Uhr.

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