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Die Sopranistin Michaela Kaune.

© Christian Stelling

Sinfoniekonzert in der Deutschen Oper: Die Uhr tickt

Donald Runnicles führt sein Orchester der Deutschen Oper durch ein Sinfonieprogramm - inklusive Operneinschub mit Michaela Kaune.

Während die 6. Armee Deutschlands im Herbst 1942 versucht, Stalingrad zu erobern, findet in München die glänzende Uraufführung der Strauss-Oper „Capriccio“ unter der Leitung von Clemens Krauss statt. In der Handlung wird auf einem Schloss die ästhetische Streitfrage diskutiert, ob der Dichtung oder der Musik der Vorrang einzuräumen sei. Aristokratischer Rokoko-Charme. Naturgemäß weiß auch die schöne Gräfin Madeleine keine Entscheidung.

Deren Schlussgesang im Licht des Mondes aber hält seine Beliebtheit bei bedeutenden Sängerinnen und ihrem Publikum, auch wenn es schwerfallen mag, beim Hören des „Konversationsstücks“ den Weltkrieg wegzudenken.

In der Deutschen Oper versenkt sich Michaela Kaune in die große Soloszene der Gräfin: „Was sagt dein Herz?“ Wählt sie den Dichter oder den Musiker? Mit innigem Klang, leicht tremolierend schon, besingt sie die „himmlisch-süße Not“ eindrucksvoll – beinahe Tragödin – in der hymnischen Steigerung. Und es passt zu der feinsinnigen Rolle, dass sich Michaela-Madeleine laut Regieanweisung des Textbuchs „graziös mit einem tiefen Knicks“ verabschiedet.

Ausleuchten der kompositorischen Charaktere

Dabei fungiert die Bühne an der Bismarckstraße an diesem sinfonischen Abend als Podium, und die Szene des Mozart-Verehrers Richard Strauss wird von Wiener Klassik gerahmt. Was an Qualität im Orchester der Deutschen Oper Berlin steckt, das zeigt sich im Andante der Sinfonie Nr. 101 von Joseph Haydn, deren Variationen immer eindringlicher werden wie auch die vielen Farben der Ticktack-Begleitung, die zu dem Beinamen „Die Uhr“ geführt hat.

„Abgründe“ erkennt ein Musiker wie Donald Runnicles durchaus in der g-Moll-Sinfonie KV 550 von Wolfgang Amadeus Mozart. Und seine theatererfahrenen Musiker wissen aus ihrer Arbeit, dass die Tonart bei den Operngestalten Constanze und Pamina den Affekt tiefer Traurigkeit ausdrückt.

Aber von den Gedanken der schmerzensreichen Welt bis zur „Selbstquälerei“, die der Mozartforscher Hermann Abert in der Sinfonie sah, lässt der Chefdirigent der Deutschen Oper sich nicht leiten. Eher geht es ihm mit dem wiederum im sinfonischen Bereich spürbar motivierten Orchester um ein differenziertes Ausleuchten der kompositorischen Charaktere, Schatten werden nicht geleugnet, vibrierende Achtel rollen im Finale. Die Kapellmeisternatur des Dirigenten Runnicles steht dafür ein, dass die Interpretation im besten Sinn musikantisch gefärbt ist.

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