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Solène Kermarrec: Auf der Sonnensaite

Sie spielt Cello mit elf Männern: Solène Kermarrec gehört jetzt zu den Berliner Philharmonikern.

Zum Beispiel Solène Kermarrec: Ihre Eltern finden es ganz selbstverständlich, sie im Alter von fünf Jahren auf die Musikschule von Brest zu schicken. Ihre Solfège-Lehrerin, bei der sie Noten lernt und Gesangsübungen macht, spielt Kontrabass. Natürlich will die kleine Solène auch sofort das große Instrument spielen, muss sich wegen ihrer zierlichen Figur aber erst einmal mit dem Cello begnügen – und hat ihre Berufung gefunden. Die Eltern bezahlen den Unterricht, ermutigen die Tochter, die sich als hochbegabt herausstellt, im Alter von 16 Jahren ganz allein von der Bretagne nach Paris zu ziehen, um dort das Conservatoire National Supérieur de Musique besuchen zu können.

Sie macht ihren Weg, vervollkommnet die Profiausbildung in Budapest und der deutschen Hauptstadt, spielt bei den Berliner Philharmonikern vor, setzt sich durch gegen 150 Mitbewerber, besteht die zweijährige Probezeit. Seit Januar hat die 25-jährige Französin einen unbefristeten Vertrag bei dem Spitzenorchester und gehört – als erste Frau überhaupt – zur berühmtesten Kammermusik-Formation des Orchesters, den 12 Cellisten.

Ein Traumstart ins Berufsleben. Und eine Verpflichtung, musikinteressierte Kinder zu unterstützen, die es nicht so leicht haben, ihre Leidenschaft zu leben. Darum starten die Philharmoniker-Cellisten jetzt ihr eigenes Education-Projekt: Am 4. März geben sie ein Benefizkonzert zugunsten der Musikschulstiftung Berlin. Die von Christian Raudszus im November 2004 gegründete gemeinnützige Organisation hilft Eltern, die ihren Kindern keinen Instrumentalunterricht ermöglichen können. Bei 30 bis 35 Euro pro Monat liegt der Minimalsatz der Musikschulen selbst für Hartz-IV-Empfänger. Hier springt die Stiftung ein, indem sie die Kosten für den Unterricht sowie die Leihgebühr für die Instrumente übernimmt.

Doch die 12 Cellisten wollen nicht nur die Einnahmen ihres Auftritts spenden, sondern auch jene Nachwuchstalente begleiten, denen dieses Geld dann zugute kommt: „12 mal 12 mal 12“ nennt Solo-Cellist Ludwig Quandt die Idee, dass die Profis mit einem Dutzend geförderter Musikschüler ein Jahr lang Kontakt halten, sie zu Proben in die Philharmonie einladen, aus dem Berufsalltag berichten. Vielleicht erzählt Solène Kermarrec dann auch ihre Erfolgsgeschichte. Die beruht darauf, dass sie einfach das gemacht hat, was sie interessierte, ohne sich ständig unter Konkurrenzdruck zu setzen.

„In Paris waren alle so wahnsinnig wettbewerbsorientiert, wollten sich ständig miteinander messen“, erzählt sie, „das war gar nicht meine Welt“. Darum bewarb sie sich erst um ein Drei-Monats-Stipendium für Budapest und wechselte mit 19 Jahren dann an die Berliner Universität der Künste. Das erste Konzert, das sie hier erlebte, war übrigens ein Auftritt der 12 Cellisten. „Dass ich ein paar Jahre später nicht mehr im Saal, sondern zusammen mit der legendären Formation auf der Bühne sitzen würde, daran habe ich damals nicht im Traum gedacht!“

Mit ihrer neuen Wahlheimat hatte Solène Kermarrec anfangs große Schwierigkeiten, gewöhnte sich nur langsam von der französischen Lebensart um auf den rauen Charme Berlins und seiner Bewohner. Immerhin macht ihr das Wetter nichts aus: Durch den Regen ist sie schon als Kind in der Bretagne gerne gelaufen. Weil sich aber das Arbeitsklima an der Musikhochschule als so angenehm und kollegial herausstellte, blieb sie, zog nach Charlottenburg, dem mit etwas gutem Willen pariserischsten Berliner Bezirk.

Wolfgang Boettcher, der damalige Solo-Cellist der Berliner Philharmoniker, wurde ihr Lehrer, und Boettcher war es auch, der seine Studentin dazu ermutigte, sich erst um einen Platz in der Orchesterakademie der Philharmoniker zu bewerben und dann auf eine freie Stelle. Sie ging hin – „wenn ich schon mal in Berlin bin, kann ich es ja auch versuchen“ – und bekam den Job.

Von der Energie im Orchester war Kermarrec sofort begeistert: „Hier sind die Kollegen, wenn sie in Rente gehen, noch genauso frisch wie die ganz jungen Musiker!“ Dass nun alle ständig wissen wollen, wie sie sich denn als erste Frau in der Cello-Gruppe fühle, nervt die betont unprätentiöse Bretonin eher. „Ich bin doch kein exotisches Tier“, lautet ihre Standard-Antwort. Gender-Diskurse finde sie uninteressant, die Idee, eigentlich müsse die Truppe jetzt „Die 11 Cellisten und die eine Cellistin der Berliner Philharmoniker“ heißen, totalen Quatsch. Nicht einmal die Frage, ob es bei Gastspielen des Ensembles nur einen Umkleideraum gibt, bereitet ihr Kopfzerbrechen: „Dann stellen wir eben einen aufgeklappten Cello-Kasten als spanische Wand auf.“

Als echte Herausforderung erwies sich dagegen das Repertoire der 12 Cellisten, lauter hochkomplexe Kompositionen und raffinierte Arrangements, die ihre Kollegen längst auswendig konnten. Ja, bei den ersten Auftritten sei da schon jede Menge Adrenalin im Spiel gewesen, gibt sie offen zu. Zumal sich die Herren in einer Art Geheimsprache miteinander zu verständigen schienen.

Da muss Solo-Cellist Ludwig Quandt dann doch einmal ritterlich Einspruch erheben: „Keiner von uns hat das so schnell gelernt wie Solène!“

Benefizkonzert der 12 Cellisten am 4. März, 20 Uhr, in der Philharmonie. Karten gibt es in der Philharmonie und unter unter der Telefonnummer: 254 889 99. Mehr Infos: www.musikschulstiftung-berlin.de.

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