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Kultur: Sotto voce: Jörg Königsdorf über die Leitkultur der Kinder

Die große französische Opernsängerin Natalie Dessay hat es auf den Punkt gebracht: Nie käme sie auf die Idee, ihren kleinen Sohn in eine Mozart-Oper mitzunehmen, erklärte sie in einem Interview. Der würde sich bei der chaotischen Handlung von Stücken wie der "Zauberflöte" und "Figaros Hochzeit" doch nur langweilen und könne mit dem Gesang sowieso nichts anfangen.

Die große französische Opernsängerin Natalie Dessay hat es auf den Punkt gebracht: Nie käme sie auf die Idee, ihren kleinen Sohn in eine Mozart-Oper mitzunehmen, erklärte sie in einem Interview. Der würde sich bei der chaotischen Handlung von Stücken wie der "Zauberflöte" und "Figaros Hochzeit" doch nur langweilen und könne mit dem Gesang sowieso nichts anfangen. Für Kinder, so Dessay weiter, seien Opern wie "Elektra" viel geeigneter - Stücke, die schon aufgrund der schieren Krachentwicklung fesseln und noch dazu keine Spur von Kinderpuppenniedlichkeit haben. Recht hat sie! Schließlich weiß jeder noch aus eigener Erfahrung, dass Kinder nicht besonders scharf darauf sind, mit keimfreier Kinderkultur gefüttert zu werden und die Welt der Erwachsenen weit interessanter finden. Und zwar gerade die Sachen, die sie nicht verstehen. Wie das mit dem Muttermord in "Elektra" (hoffen wir zumindest). Die Geschichte ist ja im Grunde nichts anderes als eine alte Schauergeschichte in einem Burghof - und damit gar nicht so weit von Grimmschen Gruselstorys entfernt. Für die drei Berliner Opernhäuser tut sich da eine Möglichkeit der Zusatzrechtfertigung für ihre drei "Elektra"-Inszenierungen auf: Kindervorstellungen zu ermäßigten Preisen! Die böse alte Hexe Klytämnestra muss sich dann allerdings schon auf Buhrufe beim Schlussverbeugen gefasst machen ("Hänsel"-Hexen wissen regelmäßig von ihrer Abstrafung durch das Kinderpublikum zu berichten). Was im Übrigen ja nur ein Zeichen dafür ist, dass die Gören mitgehen.

Leider steht derzeit keine der drei Berliner "Elektras" auf dem Spielplan. Als kindertaugliche Alternativen bieten sich statt dessen am ehesten die Turandot (27. 2.) und die Carmen (26. 2.) an der Komischen Oper an. Die Staatsopern-Götterdämmerung am Sonntag käme von Story und Splatterfaktor her im Prinzip auch in Frage, ist aber einfach zu lang und sowieso ausverkauft. John Dews bunter Gounod-Faust scheidet dagegen wegen der vorprogrammierten Kinderproteste gegen die schlechten und überalterten Breakdancer aus - davon verstehen Kinder im Zweifelsfall mehr als der Regisseur.

Die "Turandot" dagegen ist vielleicht noch besser als Initiationsoper geeignet als "Elektra", auch weil die Inszenierung von Christine Mielitz die geheimnisvolle Geschichte einer chinesischen Prinzessin ganz klar und deutlich, mit spannenden Hinrichtungsszenenen und putzigen Comedy-Szenen erzählt. Für Harry-Kupfers "Carmen"-Version gilt im Prinzip das Gleiche. Die Geschichte ist sonnenklar und spannend, die Inszenierung ohne folkloristischen Schnickschnack.

P.S. Eigentlich sollte an dieser Stelle die Kinder-Aufführung von Ravels und Colettes wunderbarer Kurzoper "Vom Kind und den Zauberdingen" durch das Berliner Sinfonie-Orchester im Konzerthaus (25. 2.) empfohlen werden. Aber dieses wunderbar feine, poetische Meisterwerk ist nun wirklich nichts für die Kleinen.

Aus der Serie Sotto voce

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