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Sozialenzyklika: Papst geißelt Wirtschaft als unethisch

Es ist seine erste Sozialenzyklika. Darin fordert Benedikt XVI. eine Regulierung des Finanzmarkts, moralische Leitlinien und eine "echte Weltautorität" für die Wirtschaft. Während die Deutsche Bischofskonferenz mit Benedikts Ausführungen hoch zufrieden ist, sehen Ethik-Experten entscheidende Defizite.

Benedikt befasst sich in seinem 141 Seiten starken Lehrschreiben vor allem mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf arme und reiche Staaten. Die Überzeugung, Wirtschaft brauche Autonomie und dürfe keine moralische Beeinflussung zulassen, habe den Menschen dazu gedrängt, "das Werkzeug der Wirtschaft sogar auf zerstörerische Weise zu missbrauchen", schreibt Benedikt.

"Langfristig haben diese Überzeugungen zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Systemen geführt, die die Freiheit der Person und der gesellschaftlichen Gruppen unterdrückt haben und genau aus diesem Grund nicht in der Lage waren, für die Gerechtigkeit zu sorgen, die sie versprochen hatten", heißt es weiter.

Zwei Berufsgruppen hatte er bei seiner Kritik besonders im Blick: Finanzmakler sollten die eigentlich ethische Grundlage ihrer Tätigkeit wiederentdecken, "um nicht jene hoch entwickelten Instrumente zu missbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen". Auch habe sich in den vergangenen Jahren eine kosmopolitische Klasse von Managern gezeigt, "die sich oft nur nach den Anweisungen der Hauptaktionäre richten".

Die nationalen Ökonomien müssten stärker reguliert werden, um die Krise zu überwinden und ihre Wiederholung zu vermeiden, mahnt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Auch eine Reform der Vereinten Nationen sowie der Wirtschafts- und Finanzgestaltung sei nötig, formuliert Benedikt in seinem Rundschreiben an die gesamte Kirche.

Er lehnt sich in seiner insgesamt dritten Enzyklika an die Gedanken Papst Johannes XXIII. an, der bereits Anfang der 1960er Jahre moralische Leitlinien für die weltweiten Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungshilfe für arme Länder gefordert hatte. "Um die Weltwirtschaft zu steuern, die von der Krise betroffenen Wirtschaften zu sanieren, einer Verschlimmerung der Krise und sich daraus ergebenden Ungleichgewichten vorzubeugen, um eine geeignete vollständige Abrüstung zu verwirklichen, die Sicherheit und den Frieden zu nähren, den Umweltschutz zu gewährleisten und die Migrationsströme zu regulieren, ist das Vorhandensein einer echten politischen Weltautorität (...) dringend nötig."

Absolut gesehen nehme der weltweite Reichtum zwar zu, doch die Ungleichheiten vergrößerten sich. In reichen Ländern verarmten neue Gesellschaftsklassen. "Während die Armen der Welt noch immer an die Türen der Üppigkeit klopfen, läuft die reiche Welt Gefahr, wegen eines Gewissens, das bereits unfähig ist, das Menschliche zu erkennen, jene Schläge an ihre Tür nicht mehr zu hören."

Besonderes Gewicht erhält Benedikts Sozialenzyklika, weil sie nur einen Tag vor dem G-8-Gipfel im italienischen L'Aquila und drei Tage vor seinem Treffen mit US-Präsident Barack Obama veröffentlicht wurde. Auch beim G-8-Gipfel ist die Wirtschafts- und Finanzkrise das beherrschende Thema. Das Oberhaupt der katholischen Kirche hatte das Erscheinen der dritten Enzyklika seines Pontifikats mehrfach verschoben. Er wollte sie mit Wirtschaftsexperten beraten, sie in Bezug auf die Weltwirtschaftskrise aktualisieren und dann mit führenden Staatslenkern diskutieren.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, würdigte die Enzyklika als entscheidenden Beitrag zur aktuellen Globalisierungs- und Gerechtigkeitsdebatte. Der Papst rufe vor dem Gipfel in L'Aquila nicht nur die politisch Verantwortlichen zum Handeln auf, sondern ermutige alle Menschen guten Willens, sich als Gestalter zu sehen. "Umdenken ist bei allen gefordert", so Zollitsch.

Der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach dagegen kritisiert, die Sozialenzyklika habe entscheidende Defizite. "Gerade die Probleme der Finanzmärkte sind ziemlich schwach und blass dargestellt. Es gibt keine konkreten Anweisungen  oder konkrete Orientierungen, wie sie gelöst werden sollen", sagte der emeritierte Professor für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik. "Wenn man es etwas kritisch beurteilt, ist es ein Selbstgespräch des gegenwärtigen Papstes mit seinen zwei Vorgängern."

ZEIT ONLINE, dpa, sp

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